Simbod - Kommentare

Alle Kommentare von Simbod

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    Simbod 11.05.2024, 11:01 Geändert 11.05.2024, 11:01

    Mittlerweile denke ich, dass Guadagnino sogar einen Film über Golf drehen könnte und ich würde ihn mir trotzdem ansehen. Was für ein aufregender Filmemacher!

    Außerdem die bisher beste Leistung von Zendaya und die erste Rolle, in der sie wirklich aufblühen konnte. Mike Faist ist umwerfend (der Beste von den dreien) und man kann nur hoffen, dass man in Zukunft noch viel mehr von ihm sehen wird. Josh O'Connor spielt auch absolut solide, aber erinnert auf Dauer etwas zu sehr an James Franco mit dem aufgesetzten, arroganten Gegrinse.

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      Simbod 11.02.2024, 14:02 Geändert 11.02.2024, 14:04

      Es dauert mehr als eine Stunde, bevor "First Man" damit beginnt, die ersten bemerkenswerten Szenen und Bilder zu etablieren. Während die melancholischen Momente und die Katastrophenszenen durchaus effektiv umgesetzt sind, funktioniert das Familiendrama auf der Erde überhaupt nicht und fühlt sich an wie ein formelhafter "Biopic-Schreibkurs A.1" und auch Neils vordergründige Motivation durch seine verstorbene Tochter wirkt nie so richtig überzeugend und plausibel. Ryan Gosling ist (wie in fast allen Drama-Filmen) völlig fehlbesetzt, da sich seine Fähigkeiten im dramatischen Spiel schon immer darauf beschränkt haben, schweigend ins Leere zu starren und seine Texte neutral und ohne eine einzige Emotion zu sprechen (er fühlt sich in Komödien merklich mehr zu Hause), was in manchen Filmen vielleicht noch einigermaßen funktionieren mag, aber hier wäre ein umfangreicheres schauspielerisches Spektrum notwendig gewesen (man vergleiche z.B. Brad Pitts fantastische, in gewisser Weise ähnliche, aber wesentlich bessere Leistung in "Ad Astra").

      Die Mondlandung im letzten Akt ist sicherlich ein großartiger Moment, und was der Film ganz hervorragend schafft, ist, die bedrückende Tragik darüber einzufangen, wie viel des langen, steinigen Wegs zum Mond mit menschlichen Verlusten bezahlt wurde. Hurwitz' Musik ist wieder einmal brillant, wenn auch nicht ganz auf dem Niveau von La La Land und Babylon, aber sie ist sicherlich der Hauptgrund dafür, dass die emotionaleren Szenen des Films so tief berühren, wie sie es tun.

      Ansonsten gibt es nur wenig, was nicht zuvor schon (besser) gemacht wurde, oder Bilder, die nicht schon in anderen Raumfahrtfilmen zu sehen waren, wie in Ron Howards wundervollem "Apollo 13", Alfonso Cuaróns "Gravity" oder James Grays ähnlich deprimierendem Sci-Fi-Drama "Ad Astra".

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        Simbod 10.02.2024, 10:44 Geändert 11.02.2024, 11:26

        Finchers sterbenslangweilige 15-minütige Exposition mit einem Profikiller, der seine exakte Routine und seine Methoden für 100%-igen Erfolg in quälender Detailtiefe erläutert, nur um ihn letztlich das Ziel verfehlen zu lassen und dies mit einem trockenen "Fuck..." kommentieren zu lassen, ist der hingebungsvollste Gag, den man im Kino sehen konnte, seit S. Craig Zahler in "Dragged Across Concrete" eine Nebenfigur mit einer kompletten Hintergrundgeschichte einführte, nur um sie 15 Minuten später sterben zu lassen.

        Ansonsten völlig unoriginell und ereignislos, aber seltsam vergnüglich und (wie immer) mit einem überdeutlichen Fokus auf ästhetischer Cinematographie. Einer von Finchers banalsten Filmen, aber das ist zur Abwechslung ja auch mal nicht ganz verkehrt.

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          über Barbie

          Zu self-aware: Es ist schlichtweg nervtötend, wenn Filme sich ständig selbst kommentieren (mEtAaAa) und vor allem, wenn sie ihre Charaktere buchstäblich die gesamte Agenda des Films während des Films ausbuchstabieren lassen. Spätestens seit "Everything, Everywhere All at Once" sind wir endgültig in einer neuen Ära des ADHS-Filmemachens angekommen, in der Filmschaffende kein klares Konzept mehr verfolgen wollen (oder können), sondern chaotisch mit Ideen um sich werfen, auch wenn diese kein kohärentes Bild zeichnen oder sich im fertigen Werk sogar widersprechen. Barbie hat das gleiche Problem: Am Ende ist nicht klar, worauf Gerwig eigentlich hinauswollte (wahrscheinlich auf irgendetwas in der Art von "Patriarchat böse!"), aber sie ist nicht in der Lage, die ambivalente Rolle von Barbie aufzulösen, auch wenn sie sie permanent kommentieren muss. Aber das ist genau der springende Punkt: Zu kommentieren, dass man ein schwieriges Thema sieht, ist nicht dasselbe wie ein intelligenter Umgang mit ihm. Einen Sprecher aus dem Off wortwörtlich den Satz sagen zu lassen: "Man sollte dem Regisseur sagen, dass die Besetzung von Margot Robbie nicht die beste Wahl ist, um dieses Argument vorzubringen", ist nicht clever. Es zeigt nur, dass man sich des Problems seines eigenen Films bewusst ist, aber nicht in der Lage ist, es zu lösen, und stattdessen so tut, als sei man ihm einen Schritt voraus.

          Und doch fällt es letztlich schwer, den Film trotz allem nicht zu mögen, denn einiges bekommt er ja doch recht gut auf die Reihe. Viele der Gags landen und der Spaß, den alle Beteiligten offensichtlich hatten, ist höchst ansteckend (ich werde Will Ferrell in absolut allem, was er tut, niemals nicht zum Brüllen finden). "Barbie" ist nur bei weitem nicht das feministische Meisterwerk, als das er angepriesen wurde. Natürlich sind folgerichtig sowohl das chaotische Drehbuch als auch die völlig (unter)durchschnittliche Leistung von America Ferrera mittlerweile für einen Oscar nominiert.

          Fällt unter die Kategorie "seltene Filme, in denen ich Ryan Gosling ertrage".

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          • 6 .5

            Vieles in diesem Film ergibt zugegebenermaßen überhaupt keinen Sinn, aber dass sich das Publikum darüber aufregt, dass es zu sehr um die Liebesbeziehung der Protagonisten und zu wenig um Themen wie strukturellen Rassismus, Einwanderung und Klassenkonflikte geht, welche der Film nur am Rande anschneidet (und die mir am wenigsten gefallen haben, weil sie sich erzwungen anfühlen und - wie schon gesagt - nicht immer viel Sinn ergeben), dann ist das einfach nur wieder die klassische Titanic-Debatte all over again. Müssen denn heutzutage alle Filme zwangsläufig gesellschaftspolitische Themen behandeln, um akzeptiert zu werden? Ich hatte eine Menge Spaß mit diesem Film, obwohl die Geschichte natürlich von Anfang an vorhersehbar war. Viel unterhaltsamer als der Brechreiz verursachende "Coco" (ich muss meine Abneigung gegen "Coco" einfach bei jeder Gelegenheit erwähnen, weil es der absolut schlimmste Pixar-Film ist) oder als der nervtötende "Turning Red".

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              Quasi wie "Speed", nur dass offenbar alle sterben würden, wenn sie weniger als 1 Popkultur-Referenz pro Minute einbringen.

              Toller visueller Stil für die banalste Geschichte, die man sich vorstellen kann. Dass ich mit dem Humor überhaupt nicht warm geworden bin, hat auch nicht gerade geholfen...

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              • 6 .5

                Genau die Art von vorhersehbarem, hochgradig manipulativem, harmlosem, auf Nostalgie setzendem, herzerwärmendem und rührseligem Drama, das man zur Oscar-Saison erwarten würde. Aber ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich nicht prächtig unterhalten gefühlt habe. Für ein derart konventionelles Drehbuch waren Kameraführung und Darbietungen durchweg erstaunlich toll. Ein vergnüglicher, Film zum einmaligen Gucken an einem verschneiten Sonntagnachmittag in der Weihnachtszeit.

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                • 9
                  über Cabaret

                  Liza Minnelli hat Schauspiel erfunden und sogleich perfektioniert. Ein Traum von einem Film. Joel Grey! <3 <3 <3

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                    Simbod 18.08.2023, 09:20 Geändert 18.08.2023, 17:39

                    Völlig banaler Standard-Geisterstreifen, der von der A24-Glaubensgemeinschaft gerade wieder zum nächsten Horrorheiland hochgejubelt wird, aber abgesehen von einer wirklich pfiffigen Ausgangsidee, aus der der Film nach den ersten 20 Minuten überhaupt nichts mehr weiter macht, nur abgegriffene Geister- und Gruselbilder reproduziert, die andere Genre-Kollegen schon vor 20-30 Jahren besser hinbekommen haben. Thematische Tiefe oder wenigstens effektiven Grusel sucht man hier jedenfalls vergeblich und mit Sophie Wilde wurde auch leider eine völlig talentfreie Newcomerin in den Mittelpunkt gestellt, die den ohnehin schon schwächelnden Film kaum abfedern kann. Für ein Regiedebüt nicht schlecht und sicherlich kurzweilig, aber allmählich werden die immergleichen A24-Lobeshymnen immer unglaubwürdiger (obwohl das Unternehmen wirklich schon viele tolle Filme hervorgebracht hat).

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                    • 4 .5

                      Alfred Vohrer inszeniert Karl May zwar wesentlich besser als Harald Reinl oder gar Robert Siodmak. Aber "Old Surehand 1. Teil" leidet einmal mehr unter einer uninteressanten Geschichte mit einem Helden, der zudem weit weniger charismatisch auftritt als Lex Barkers Old Shatterhand. Während sich die erste Hälfte thematisch und inszenatorisch noch recht interessant gestaltet, führt die zweite immer weiter ins Leere und eineinhalb Stunden fühlen sich bald wie drei an. Auch Vohrers Versuch, Bud-Spencer-/Terence Hill-ähnlichen Slapstick in den Film einzubringen, fühlt sich unstimmig an (ironischerweise spielt Terence Hill eine nicht unwichtige Rolle in diesem Film) und die ständige Frauenfeindlichkeit, der Sexismus und Chauvinismus der Karl-May-Filme sind hier noch mal merklich präsenter und unangenehmer.

                      Bislang gefällt mir der unbeliebte, an Akira Kurosawas "Die Sieben Samurai" angelehnte "Winnetou und sein Freund Old Firehand" (ebenfalls von Vohrer inszeniert) im Karl-May-Filmkosmos noch am besten, weshalb ich mir von "Old Surehand 1. Teil" etwas mehr erhofft hatte als von anderen Karl-May-Verfilmungen. Aber, wenn man mal ehrlich ist, sind sie alle sehr weit von hoher Kunst entfernt. Und vor allem eint sie alle eine Sache: sie sind weitestgehend furchtbar langweilig.

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                        Nach 30 min abgebrochen. Vollkatastrophe.

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                          https://www.youtube.com/watch?v=9nq-OWTb6tI&t=272s

                          ???

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                            Wenn selbst John Cleese deine Sendung nicht retten kann, dann ist sie vielleicht einfach scheiße?

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                              Simbod 05.05.2023, 10:49 Geändert 05.05.2023, 10:52

                              Im typisch deutschen Pädagogikkino wäre aus "Druk" sicherlich eine weitere Katastrophe geworden, in der man vermutlich versucht hätte zu belehren, dass Alkohol grundsätzlich schlecht sei und man nicht trinken solle, weil sonst das eigene Leben daran zugrunde gehe.

                              Zum Glück wurde dieser Film nicht von einem talentlosen deutschen Regisseur gedreht, sondern von Thomas Vinterberg. Er gibt nur die Initialzündung und lässt sein soziales Experiment eine Eigendynamik innerhalb seines urbanen Bildungsmikrokosmos entwickeln. Alkohol ist hier eine Art chemischer Katalysator: Bei den vier befreundeten Lehrern bringt er das zum Vorschein, was bereits unter der Oberfläche vorhanden ist. Und wie bei Katalysatoren in chemischen Reaktionen üblich, erleichtern manche die Lage, während andere sich autokatalysierend auswirken und zur unvermeidlichen Katastrophe führen.

                              "Druk" auf seine finale Tragödie zu reduzieren, wäre jedoch eine zu kurzsichtige Betrachtung von Vinterbergs filmischem Umgang mit der Midlife-Crisis. Es ist das soziale Gefüge der Gruppe, das diesen Film großartig macht. Vinterbergs Präzision beim Sezieren zwischenmenschlicher Beziehungen und unterdrückter Frustration, die schon "Jagten" zu einem der besten gesellschaftspolitischen Dramen aller Zeiten machte, resultiert in vier sehr unterschiedliche Wege, die von der anfänglichen Theorie bis zum bittersüßen Wiedersehen führen. Hier purzeln Väter die Entwicklungsleiter nach unten, wenn sie wieder zu bettnässenden Kindern werden, Alkohol im Sportgeräteraum verstecken und sich vor sozialen Angstsituation Mut antrinken.

                              Wenn auch nicht so makellos wie "Jagten", so ist "Druk" doch ein weiterer filmischer Triumph für Vinterberg, der seine Rolle als einer der besten skandinavischen Regisseure weiter festigt.

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                                Simbod 21.04.2023, 17:05 Geändert 21.04.2023, 17:12

                                Beim Versuch, die Fans zufrieden zu stellen, bringt Lee Cronin nicht eine einzige originelle Idee zustande. Alles, was er im Laufe des Films unternimmt, sind sinnlose Anspielungen auf Raimis "Evil Dead"-Filme aneinanderzureihen, nur eben leicht abgewandelt: Der Kassettenrekorder ist jetzt ein Plattenspieler. Die Hütte ist eine Wohnung, die von der Außenwelt nicht mehr durch eine eingestürzte Brücke, sondern durch eine eingestürzte Treppe und einen kaputten Aufzug getrennt ist. Die verdammt gruselige Spielkarten-Szene findet jetzt über das Buch Wuthering Heights statt (lol). Die Besitzergreifung geschieht nicht durch Zweige, die das Opfer vergewaltigen, sondern durch Aufzugskabel – und es wird nicht einmal eine Vergewaltigung gezeigt, die Frau wird lediglich von ihnen hochgehoben (vermutlich, um eine niedrigere Altersfreigabe zu erhalten), was den Sinn der Szene völlig zunichte macht. Die Besessene, die im Keller eingesperrt ist, ist jetzt die Mutter, die aus der Wohnung ausgesperrt ist. Der Stift, der die sich ausbreitende Wunde verursacht, ist dieses Mal eine Tätowiernadel. Natürlich ist auch eine Kettensäge im Spiel. Wo es im "Evil Dead"-Remake von Fede Alvarez immerhin den spektakulären Blutregen gab, ist hier nur eine billige Kopie der berühmten "Shining"-Aufzugsszene drin. Und für das Finale hat sich Cronin entschieden, seine Version in einen Zombie- und Kreaturenfilm mit einem lächerlichen "The Thing"-Ripoff-Monster zu überführen – aber nicht eines im Stil des meisterhaften Carpenter-Films, sondern in dem der beschissenen CGI-Abscheulichkeit von 2011. Und man könnte dieses Spiel noch ewig weiter treiben.

                                Cronin versucht, seinen Mangel an originellen Ideen zu kompensieren, indem er die Brutalität und den Gore auf die Spitze treibt. Aber das ist einfach alles so kunstlos. Cronin kennt nur 2000er-Horror-Klischees wie billige Jumpscares ohne jegliches Gespür für Atmosphäre, die heutzutage bestenfalls noch Großtante Ursula einen Schrecken einjagen, weshalb sich die exzessive Gewalt für den Zuschauer völlig gleichgültig und langweilig anfühlt. Sie ist kein bisschen gruselig oder verstörend wie Raimis Original. Geschweige denn lustig. Cronin versemmelt seine Chance auf einen würdigen Franchise-Beitrag damit ähnlich wie Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett es mit "Scream (2022)" taten...., nein, es ist sogar noch schlimmer. Alles, was in Evil Dead Rise funktioniert, funktioniert nur, weil Raimi es schon vor mehr als 40 Jahren (besser) gemacht hat. Man fragt sich, wie Sam Raimi und Bruce Campbell ihre Namen unter dieses Teil schreiben konnten, geschweige denn es produzieren.

                                Es gibt allerdings eine wirklich herausragende Szene, und das ist die Enthüllung des Titels am Anfang. Wie eine übermächtige, weltenzerstörende Bedrohung steigen die drei Worte über den Bergen auf, als würde sich das Böse wie ein blutroter Schatten über das Land legen. Aber von da an ist es nur noch eine rasante Aufzugfahrt abwärts.

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                                  Simbod 19.03.2023, 19:20 Geändert 19.03.2023, 19:22
                                  über Tár

                                  Todd Field bemüht sich so sehr, nicht in die Falle des "Erzählens statt Zeigens" zu tappen, dass "TÁR", sein erster Spielfilm seit dem herausragenden Drama "Little Children" von 2006, am Ende ein undurchsichtiges, mysteriöses Etwas ergibt, das gänzlich von seinen großartigen Performances getragen wird. Etwa 2/3 des Films lang bleibt man neugierig, worauf das alles hinausläuft: Vielleicht auf einen Kommentar zur modernen Cancel Culture? Zur MeToo-Debatte? Zum Machtmissbrauch im elitären Kunstbetrieb? Bis man schließlich feststellt, dass "TÁR" viele Themen anschneidet, am Ende jedoch keines davon wirklich weiterverfolgt. Field hat so viel Angst davor, auch nur ein einziges Mal zu offensichtlich, zu durchschaubar, zu "unintellektuell" zu werden, dass er es letztlich vermeidet, überhaupt irgendetwas zu sagen. Wo keine Aussage ist, da kann auch kein Vorwurf zum Dilletantismus existieren. So hat man am Ende einen Film, der ebenso makellos und meisterhaft gemacht ist, wie Lydia Tár die Musik interpretiert und dirigiert, aber auf der emotionalen Seite genauso leer und unzugänglich für all jene, die nicht in den Schaffensprozess involviert sind. Das alles ist technische Perfektion, und wenn wir das Kino verlassen, sind wir ebenso beeindruckt und bestens unterhalten wie auch irritierend gleichgültig gegenüber dem eingestellt, was in den letzten zweieinhalb Stunden passiert ist. Eine eitle Künstlerin wird durch ihre eigene Non-Integrität spektakulär zu Fall gebracht, wir schauen dabei zu, zucken mit den Achseln und gehen nach Hause. Als kunstvolles Interludium wäre TÁR zweifelsohne gewaltig – als Comeback-Film nach mehr als 16 Jahren allerdings, dass muss man am Ende leider attestieren, ein wenig enttäuschend. Vielleicht sollte Field sich für seinen nächsten Film nicht ganz so viel Zeit nehmen, um dann wieder etwas fokussierter an die Sache heranzugehen. Dass er das prinzipiell kann, hat er schließlich bereits bewiesen.

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                                    Simbod 15.03.2023, 09:07 Geändert 15.03.2023, 09:11

                                    Im Gegensatz zu unserem Protagonisten ist dieser Film eher schlecht gealtert. Er wirkt fast wie eine Kopie des besseren "Forrest Gump", was kein Zufall ist, da beide Drehbücher von Eric Roth geschrieben wurden. Doch wo sich bei "Forrest Gump" der satirische Subtext gekonnt mit den manipulativen Dramenelementen vermengte, die von Robert Zemeckis auf eine sanfte, aber einfühlsame Art und Weise eingefangen wurden, schafft es Fincher, ebenso wie das zentrale Liebespaar, jene magischen Momente dieses Märchens nur kurz zu erfassen und verliert oft schlichtweg den Halt.

                                    Die Ähnlichkeiten zu "Forrest Gump" und Tim Burtons ähnlich episch angelegtem, Lebensspannen umfassendem Drama "Big Fish", sogar in den Handlungselementen, sind insgesamt zu groß und erzwingen einen obligatorischen Vergleich. Alle drei Filme schicken ihre Protagonisten schließlich in den Krieg und erzählen rückblickend verschiedene Episoden aus deren Leben; "Forrest Gump" lässt zudem das zentrale Liebespaar im Laufe der Geschichte ebenfalls nur punktuell aufeinandertreffen, bis sie schließlich zueinander finden - und dann stirbt einer von ihnen. Im direkten Vergleich verliert "The Curious Case of Benjamin Button" jedoch aufgrund seiner viel zu langen Laufzeit und der holprig strukturierten Geschichte. Die faszinierende Prämisse hätte Fincher die Chance gegeben, davon zu erzählen, wie wir als Menschen mit der unaufhaltsamen Linearität der Zeit zurechtkommen müssen. Stattdessen setzt er auf eine vergleichsweise banale Liebesgeschichte zwischen zwei nicht sonderlich interessanten Menschen (das hier dürfte wohl die am wenigsten fesselnde Darbietung der großartigen Cate Blanchett und die unmotivierteste von Pitt darstellen), die nur vereinzelt über ihre Gimmickidee hinauswächst. Vielleicht ist Fincher als Experte im Thriller-Genre einfach zu zynisch und analytisch, um eine solche Geschichte so anzugehen, wie sie es bräuchte. Nicht ohne Reiz und stellenweise dann doch sehr groß, dennoch definitiv einer von Finchers chaotischeren Filmen.

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                                      über Rot

                                      "Turning Red" versucht krampfhaft, dem Zuschauer seine Figuren nahezubringen, was dem Film sichtlich schwerfällt: Hyperaktive, schreiende Kinder und kontrollsüchtige Mütter aus der Pixar-Hölle zoffen sich hier permanent und springen sich im wahrsten Sinne des Wortes gegenseitig mit ausgefahrenen Krallen an. Für die Männer ist in Turning Red zunächst vermeintlich kein Platz. In den entscheidenden Momenten müssen sie dann aber doch mal wieder mit ihrer ruhigen, verständnisvollen Art zwischen den zerstrittenen, keifenden Frauen der Familie vermitteln und den Schubs in die richtige Richtung geben, denn diese wutgesteuerten Biester bekommen es schließlich nicht gebacken. Feminismus im Kosmos von Pixar – auch 2022 lediglich ein großes Fragezeichen.

                                      Wenn man versucht, einen Gegenpol zum hyperkonservativen, Brechreiz verursachenden "Familie steht über allem"-Kitsch von "Coco" zu bilden (grundsätzlich begrüßenswert), aber letztendlich seine "Individualität steht über allem"-Botschaft in einer derart peinlichen, offensichtlichen Art und Weise vermittelt, dass im Vergleich selbst "Coco" sympathischer wirkt, weiß man, dass man es vergeigt hat.

                                      Absolut unerträglich. Immerhin waren die Pandas flauschig.

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                                        Simbod 15.02.2023, 22:38 Geändert 15.02.2023, 22:39

                                        In ihrer völligen Ideenlosigkeit verlässt sich Staffel 1 insbesondere in der ersten Hälfte vollständig auf das Nostalgiegefühl jenes Zielpublikums, welches gleichermaßen vor mehr als 20 Jahren als Heranwachsende der 90er- & 00er-Jahre mit den 70er-Kids der Originalserie mitfieberte. So müssen hier jene Punchlines und Catchphrases des Original-Casts regelmäßig referenziert und wiederaufgewärmt werden, um der etwas durchwachsene Gruppe der neuen Jungdarsteller unter die Arme zu greifen. Denn das Skript der neuen Serie gibt nicht viel mehr her als die immergleichen, zum x-ten Mal verwursteten Teenie-Problemchen, die nun einmal mehr durch den Sitcom-Fleischwolf gedreht werden: Erste Liebe hier, (Groß-)Eltern anschwindeln und sich heimlich wegschleichen dort – nur heute eben mit etwas mehr Diversity. Und zwischendurch dürfen die Schauspieler der Mutterserie für ein paar Minuten hereinspazieren und sich ihre Cameo-Gage für ein paar unmotivierte Gags abholen. In der zweiten Hälfte versucht sich "That 90s Show" dann allmählich als eigenes Serienwerk zu etablieren, so ganz will das aber nicht gelingen. Um die Jahrtausendwende mag das angestaubte Sitcom-Konzept noch funktioniert haben, im Jahr 2023 lockt man damit aber kaum noch jemanden hinter dem Ofen hervor. Dass die Serie den Cancel-Wahn des Streaminganbieters Netflix in der ersten Runde überlebt hat, ist wohl einzig dem Interesse der Fans der "70s Show" geschuldet. Ob dieses jedoch auch für eine zweite Staffel ausreicht, ist fraglich. Dafür müsste "That 90s Show" in Sachen Eigenständigkeit und Pfiffigkeit dann doch noch mal deutlich zulegen.

                                        • 4 .5

                                          Exakt das, was man bekäme, wenn man einen schlechten KI-Textgenerator mit deutscher Literatur und Poesie füttern und ihn dann ein Drehbuch schreiben lassen würde. Prätentiös, pseudo-intellektuell, selbstherrlich, leer. Wenigstens war Peter Falk, der sich selbst spielt, amüsant.

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                                          • 4 .5

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                                            Um ehrlich zu sein, hätte ich den Film sowieso ausgelassen, wenn ich nicht einen Gutschein für zwei Karten zum Preis von einer vom Kino angeboten bekommen hätte. Ich habe den Hype um "Brügge sehen..." damals nicht verstanden und kann auch den Hype um McDonaghs neuesten Film nicht wirklich nachempfinden. Er hat definitiv ein Händchen für triste Atmosphäre, das muss man ihm lassen. Aber McDonaghs zynische Art, Geschichten zu erzählen, die auf dem Papier eigentlich interessant klingen, in der Ausführung aber jegliche Menschlichkeit vermissen lassen, ist einfach nichts für mich. Gut für ihn, dass anscheinend viele Leute Gefallen an seinem ostentativ nihilistischen Ansatz finden.

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                                            • 7 .5
                                              Simbod 08.02.2023, 08:26 Geändert 08.02.2023, 08:37
                                              über Babylon

                                              Eine wunderschöne, filmische Symphonie, komponiert aus Blut, Kotze, Scheiße und Pisse. Wo "The Wolf of Wall Street" die Tür zu wildem, orgiastischem Filmemachen geöffnet hat, da rammt "Babylon" durch sie hindurch und rempelt auf seinem Weg "Once Upon a Time in Hollywood" um (folglich spielt Margot Robbie in allen drei Filmen mit und Brad Pitt zumindest in zwei davon). Leider folgt auf die glorreiche, virtuose erste Hälfte eine eher chaotische zweite, die gegen Ende ein bisschen zu sehr an "GoodFellas" erinnert. Ich hatte mich sehr auf Tobey Maguires Auftritt gefreut, empfand ihn aber letztlich als den Abschnitt, den man am ehesten aus dem Film hätte herausschneiden können, da die Art des Horrors nicht wirklich zum Rest des Films passte (andererseits war er aber auch für sich genommen großartig. Ich würde gerne als nächstes einen Horrorfilm von Damien Chazelle sehen!). Mit einem etwas strafferen Schnitt in der letzten Stunde wäre "Babylon" beinahe Chazelles Meisterwerk geworden.

                                              Es ist lange her, dass es im Kino eine derart vergnügliche Szene gab wie der Versuch der Filmcrew, ihre erste Tonfilmsequenz zu drehen.

                                              Ich weiß nicht, ob sich Martin Scorsese schon dazu geäußert hat, aber er würde "Babylon" mit Sicherheit lieben.

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                                                Simbod 19.07.2022, 13:42 Geändert 19.07.2022, 13:42

                                                Very unpopular opinion, aber die 1. Staffel war die beste. Danach musste die Serie für das vom garstigen Humor merklich irritierte amerikanische Publikum (bei dem die 1. Staffel konsequenterweise als schwächste Staffel gilt) schrittweise immer weiter versitcomt werden. Auch dann war sie zwar noch sehr nett und unterhaltsam, aber eben auch recht brav und größtenteils reibungsfrei. Gespannt auf die britische Originalserie von Gervais (Prognose: The Office (UK) > The Office (US) > Stromberg).

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                                                  Simbod 17.04.2022, 12:04 Geändert 29.04.2022, 20:59
                                                  über X

                                                  Edit: Auf Wunsch hier der obligatorische Hinweis: Der Text enthält Spoiler.

                                                  "X" ist in seiner ruhigen ersten Hälfte so unbeschreiblich gut, dass in jenem Moment, in dem das blutige Abschlachten beginnt, zu welchem sorgfältig hingeführt wird, dieses sich als der weniger interessante Abschnitt des Films entpuppt. Das ist generell eine Eigenheit Ti Wests, dass die Vorbereitung des eigentlichen Höhepunkts derart präzise und intelligent konstruiert wird, dass sie dazu neigt, die eigentliche Pointe zu übertreffen. Natürlich ist auch der Blutrausch spaßig, unheimlich, schockierend, ekelerregend und kunstvoll in Szene gesetzt. Doch die Momente, in denen West sein Publikum wirklich verzaubert, sind jene, in denen er es zustande bringt, dass man sowohl mit der ambitionierten, aber völlig untalentierten Filmcrew als auch mit dem alten, tiefreligiösen Mörderpaar und ihren Problemen mit unterdrückter Sexualität sympathisiert. In der besten, beinahe herzzerreißenden Szene des Films ruht sich die junge, sexuell aktive und offene Filmcrew nach einem langen Drehtag in ihrem Gästehaus aus, singt ein melancholisch-schönes Lied während West zwischen ihr und der deprimierten Gastgeberin Pearl hin- und herwechselt, die vor dem Spiegel sitzt und sich alleine und traurig fühlt. Sie wünscht sich sehnlichst Sexualität, wird von ihrem Mann aber dahingehend zurückgewiesen, da er sich für zu alt und krank für Sex fühlt und ihr Verlangen nicht erfüllen kann. Natürlich bleibt es bis zum Schluss unmöglich, sich auf die Seite der beiden zu schlagen, sobald sie mit ihrem Mordfeldzug beginnen, weil die beiden religiösen Senioren die Jungspunde für moralisch verdorben halten und sich gleichzeitig dafür rächen wollen, dass die Filmcrew jenes lustbefreite Leben verfolgt, das Pearl sich so sehnlich wünscht. West zelebriert seine unheilvolle Atmosphäre in gewohnt langen, geschmackvollen, langsamen Szenen, dieses Mal begleitet von bedrückender Filmmusik der Avant-Garde Singer-Songwriterin Chelsea Wolfe (habe sie bereits live gesehen; eine sehr talentierte, einzigartige Künstlerin. Freue mich sehr für sie, dass West sie für eine Zusammenarbeit ausgewählt hat). Stilistisch ähnelt "X" tendenziell eher dem extrem langsam erzählten Todeskult-Film "The House of the Devil" als etwa seinem gruseligen Haunted-House-Film "The Innkeepers"; Fans des erstgenannten sollten also auch an Wests neuem Film Spaß haben. Auch wenn "X" vielleicht nicht sein bestes Werk sein mag, erfreut es sehr, dass Ti West endlich mehr Aufmerksamkeit und Lob zuteil wird, die er bereits für seine vorherigen Filme verdient hätte. Mit "Pearl" wurde inzwischen bereits ein Prequel zu "X" angekündigt, das ebenfalls von West gedreht wurde.

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                                                    Filme über Demenz sind ein bisschen wie Filme über das Sterben: Wir können als jene, die es nie erlebt haben, nur mutmaßen, wie es sich anfühlt und welche Gedanken und Empfindungen dabei präsent sind. Betroffene sind schließlich nicht mehr in der Lage, es uns Angehörigen mitzuteilen. Insofern kann natürlich auch Florian Zellers Interpretation dieser Krankheit maximal eine durch sehr genaue Beobachtung skizzierte Mutmaßung sein. Aber sie gibt uns zumindest eine Idee davon, wie der Alltag für einen Demenzkranken wirken könnte. Und das Ergebnis, zu dem Zeller dabei kommt, gleicht mehr einem bedrückenden Horrorfilm als einem Drama. Nicht zuletzt dank Anthony Hopkins, der hier ganz fein mit Mimik, Gestik und Stimme arbeitet statt mit dem großen Pinsel dick aufzutragen. Natürlich könnte man dem Film vorwerfen, er erzähle in etwas über 90 Min. lediglich stets das immergleiche Erlebnis nach dem gleichen Schema, das man auch in einem Kurzfilm ausreichend hätte darstellen können. Doch genau diese ständige Wiederholung der mentalen Ausfälle Anthonys trägt ja gerade dazu bei, die Genervtheit und Überforderung Angehöriger, wie die der von Olivia Colman ebenfalls ganz wunderbar gespielten Tochter Anne, nachempfinden zu können – ebenso wie die zunehmende Verunsicherung und Angst des sich ja eigentlich so standhaft und selbständig präsentierenen Anthony. Letztlich ein wahnsinnig intimer Film und überraschenderweise überhaupt nicht der platte Tränendrüsen-Oscarbait, den ich bei der Thematik erwartet hatte. Stark!
                                                    Und zumindest für mich, der aktuell selbst mit einer dementen Großmutter umzugehen lernen muss, natürlich noch mal besonders bewegend dank der für Außenstehende wirklich extrem realistischen Darstellung.

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