Jimi Hendrix - Kommentare

Alle Kommentare von Jimi Hendrix

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    https://www.youtube.com/watch?v=kU1qBEEGAec

    "Macht kaputt, was euch kaputt macht." Röhrte schon die scharfe Oberscherbe Rio Reiser und auch in DER TOD RITT DIENSTAGS schallt es nur so aus den Revolverhälsen Giuliano Gemmas und Lee Van Cleefs ins umfallende Establishment. Formell ein leider durchschnittlicher Spagetti-Western, der als Blaupause für NOBODY IST DER GRÖßTE fungiert, zeigt uns Sergio Leones rechte Regiehand Tonino Valerii aber in der Paraphrase ein geradliniges soziologisches Rachethema, inklusive changierender Moralbilder.

    "Was haben Sie mit dem Jungen gemacht, er ist ja plötzlich wie ein tollwütiger Wolf?
    - Ein Wolf ist er schon immer gewesen, tollwütig habt ihr ihn erst gemacht."

    Unser tollwütiger Wolf oder JOKER heißt Scott Mary (Giuliano Gemma). Seine Krankheit ist nicht das Tourette-Lachen, aber auch er ist ein Unsichtbarer, ein Vergessener, ein Tier unter Menschen. Die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen beschränkt sich auf Erniedrigung, Verachtung, Gemeinheit und Entwürdigung. Er fährt den Scheißewagen durch die westernliche Stadt, striegelt die Pferde der angesehenen Leute, kehrt und schrubbt sich an den Rand der Gesellschaft, als bedeutungsloser Bastard. Die Fäden in dieser Kommunalität halten Richter, Saloonbesitzer und Bankier in ihren Händen und der Sheriff ohne Revolver ist reiner Euphemismus. Denn die Macht liegt klar im Kapital: wer nichts hat, der ist nichts. In diese archetypische Szenerie zuckt nun Frank Talby (immer eine bösartige Naturgewalt: Lee Van Cleef) und erkennt sofort Potenzial im armen Sclucker Scott Mary. Er wird sein Mentor der Selbstbestimmung, welcher manipulierend immer mehr die Heuchelei im Dorf einerseits aufdeckt, andererseits Scott die mörderische Lektionen lehrt, dass er sich seine Gerechtigkeit mit dem Revolver schaffen kann. Erst am Schluss dieser, fast Antik anmutenden Narration des armen "Taugenichts" der durch einen Mentor zum Racheengel an eben jenem System wird, erst da verrät im Frank Talby den zynischen Preis: "Deine letzte Lektion, Scott: Wenn du anfängst zu töten, kannst du nicht mehr aufhören."

    So gewichtig die interpretative Sozialkritik von Valerii auch wiegt, so schade ist deren manchmal etwas biedere, unschwunghafte Inszenierung. DER TOD RITT DIENSTAGS verschenkt dabei meiner Ansicht nach Potenzial, was er später in NOBODY transferiert mit einer humoresken Würzung etwas mehr ausgeschöpft wird. Doch langweilig wird einem hier durch die symbiotisch-symbolische Vater-Sohn Komponente die Lee Van Cleef und Giuliano Gemma gut ausspielen nie. So ist der Streifen,der auch ein pfiffiges Riz Ortolani-Score repetitiv erklingen lässt überdurchschnittliche Italowesternware, die für Genrefans interessant bleibt aber darüber hinaus keine Strahlkraft besitzt.

    Ganzer Film mit engU:
    https://www.youtube.com/watch?v=3T9eSz19mJ4

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      Jimi Hendrix 31.12.2019, 14:58 Geändert 31.12.2019, 14:59

      #74 der Amos-Vogel-Reihe: Film als subversive Kunst

      https://www.youtube.com/watch?v=WuOK93pxiio

      Extrem ausdrucksstark und voll homosexueller Lyrik stößt uns der große französische Antagonist Jean Genet seine experimentelle wie brachiale 26-minütige Filmdichtung auf die Iris. Dabei wird für ihn die Gefängnismauer einerseits symbolisch zur überwindbaren Schranke sozialer Zwänge und zweitens zum semipermeablen Sexualvektor körperlicher Begierden, wo sich in Einsamkeit erhärtete Schwänze am Beton der Sehnsucht reiben.

      "Am interessantesten ist die Innenseite der Außenseiter. Auch ein perfektes Chaos ist etwas Vollkommenes. Das Interessanteste an den Außenseitern ist ihre Innenseite. Den Reiz des Verbotenen kann man nur auskosten, wenn man es sofort tut - morgen ist es vielleicht schon erlaubt."

      Von Sartre offiziell heilig gesprochen, ist Jean Genet der ewige Schutzpatron aller Besiegten und aller Verlierer und mögen sie auch Hakenkreuze tragen, so trägt er sie voller Überzeugung mit. Und möge die RAF Zivilisten hinrichten so drückt auch er literarisch den Abzug und sagt zugleich: "Wenn sie jemals siegen sollten, wende ich mich ab von ihnen.".
      Diese rätselhaft antiopportune Widersprüchlichkeit zeigt das radikales Wesen des Dichters und Regisseurs und so quillt aus DAS LIEBESLIED ähnlich resolut seine Prägung als fatalistischer Außenseiter jedweder Gesellschaft, die er selbst als Homosexueller, zwanghafter Dieb, Prostituierter und chronischer Straftäter mit der Heimatadresse hinter französischen Gardinen schmerzlich erfahren hatte und sich dort charakterisierte.
      So ist es nicht verwunderlich, wie authentisch und poetisch der Bilderfluss dahin strömt und auf ihm das Schicksal der Gefangenen, ihre verzehrende Pein der Lust, Sehnsucht, der eingemauerten Liebe schwimmt. Doch Genet löst die steinernen Schranken filmisch extrovertiert auf. Jeder durch die Mauer führender Strohalm zur Nachbarzelle birgt die Potenz eines geilen Universums, durch das allegorisch Fellatio und orale Zungenfreuden ausgetauscht werden können und man sich außerhalb jenes physischen und gesellschaftlichen Gefängnisses träumen kann.

      Ähnlich wie bei Kenneth Angers homoerotischem Leder-Mystizismus ist man mitgerissen von den pochenden Gleichnissen und der lautstarken optischen Rebellion des Films, welcher den bestehenden Status Quo zum wackeln bringt.

      https://www.dailymotion.com/video/x5n2pa5

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        Jimi Hendrix 23.12.2019, 16:21 Geändert 23.12.2019, 20:17

        https://www.youtube.com/watch?v=hkhCe_1Nk7Q

        Schwach budgetiert auf der Brust ist dieser 70er-Subgenre-Schocker, der als satanistisches Hexagramm eher leichtgewichtig Klischees von Voodoo, Tarot, Menschenopfern sowie Sabbatzirkeln beschwört und dabei den großen Blutrausch schuldig bleib, aber atmosphärisch, mit gutem Score und Kurzweil Unterhaltung bietet.

        Ja euer treuer Erzähler Jimi kann es nicht lassen und lässt sich von derlei grell gestalteten Covern und reißerischen Titeln immer wieder aufs Neue in den Bann ziehen. Dabei ist der Titel hier Teufel sei dank nicht das Beste an Ted V. Mikels Machwerk, indem er seine Okkultusministerin Mara (Lila Zaborin) als oberste Hexe allerlei junge, hübsche Mädels um sich scharen lässt, welche in s(h)exy Beschwörungsballetteinlagen männliche Opfer erspeeren. Sie scheint ein ganzes Internat des Bösen zu unterhalten und gibt als schreiend Seancen-abhaltende Herbergsmutter und Voodoo-Auftragskillerin eine durchaus authentische Figur ab. In diesen okkulten Ring - wie sollte es anders sein - gerät ein Paar in deren mystische Fänge und wird in einem ekstatischen Schlussakkord vielleicht von den alten, weißen Männern befreit.

        Dramaturgisch lässt Mikels den Streifen zwar oftmals ausblutet und auch Fans von Splatter-Effekten, oder auch nur Blutfetischisten werden sicherlich enttäuscht die Kiste ausschalten, doch verhilft das gute Setting, die nackte Frauenhaut und vor allem Carl Zittrers erstaunlich finsterer Klangschalen-Soundtrack zu einer Atmosphäre der schwarzen Magie, die zwar trashig as hell ist, aber mich zufrieden stellte. 666,5 von 1000 gesteinigte Kritiker.

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          https://www.youtube.com/watch?v=4SUpMyX2xYY

          Eine griechische Rapesodie. Die schräg-affektierte BDSM-Operette des Nikos Nikolaidis ist schwüles Cinema bizarro in Reinform. In noir-feuchter s/w-Nostalgie fesselt SINGAPORE SLING durch seine betörend-subversiver Eigenart und lässt uns den süßen Schmerz des sexuellen fetischisierten Grenzganges im tiefen Deepthroat schlucken bis zum Würgereiz.

          Dabei entführt uns Nikolaidis durch Schlamm, Regen und Palmen in eine mondäne, traumartige Welt, die Mata Hari genauso tief pulsierend und theatralisch in sich trägt, wie den morbide-expressionistischen deutschen Stummfilm der 20er. Doch sie sind nur der visuelle Leib, an dem sich die psychoanalytische Geilheit ihren Weg zur eleganten Provokation bahnt und diese kokett und verspielt vollkommenen ausweidet. Was in Marco Ferreris DAS GROßE FRESSEN noch konsumierbarer war, wird hier zum herausfordernden Ballett der Provokanz, doch ist diese glücklicherweise nicht Selbstbefriedigung in sachlicher Art, sondern vielmehr die tiefe psychologische Auseinandersetzung mit sexueller Begierde, dem Maskenspiel der macht und Ohnmacht, der perversen Füllfantasien und dem loslassen von gängigen Moralvorstellungen, die eigentliche Bondage unserer Zeit.
          Hierfür führt er ein Trio mortale zusammen, die sich in 107 Minuten komplett Schälen und jeweils die Rollen tauschend in einer großen Schluss-Ekstase ihre Erfüllung in metaphorischen Ergüssen voll blumig-witziger Posesie finden. In krasser Diametrie zur gezeigten Kontroverse aus Folter, Sehnsucht und Tod rahmt Nikolaidis sein Werk formal und tonal in Kitsch, überbordende Schwulst und frivoler Pathetik, was dem ganzen eine sonderbar gelungene Weirdness verleiht, die ich sehr schätze.

          Schlussendlich bleibt SINGAPORE SLING ein schwer greifbares Werk, was in der falschen Stimmung unfassbar anstrengend und abstoßend werden kann, aber sich im richtigen Augenblick als schaurig-schöne Diva des Obskuren offenbart. Eines ist dieses Werk auf keinen Fall: gewöhnlich.

          Immer noch bei YT verfuckbar:
          https://www.youtube.com/watch?v=sfs9x0Yxyw0

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            über Grim

            Das Grauen des wirbelnden Seins im furiosen Totentanz mit dem Nichts. Extravagant in seiner innovativen sub-lynchesken Beklommenheit. Ein experimenteller Horrorfilm, in welchem der eigentliche Schrecken das Auflösen alles Fassbaren ist, ein kleines Experimantalfilmmeisterwerk.

            Takashi Itos wohl beeindruckenste Arbeit. Die Kamera verlässt begleitet vom tonalen Pulsschlag den Balkon einer beliebigen japanischen Wohneinheit, als würde sie von einem gesprungenen Suizidversuch zurückkehrend sich von der Außenwelt introvertieren. Ähnlich vieler Jugendlicher im modernen Japan, welche sich in soziale Isolation begeben und für die die Haustür zur Schwelle eines lebensfeindlichen Weltraums wird.

            Die Wohnung wird zur Drehtür der eigenen Ent-wicklung, zur selbst gewählten Zelle, an deren Rändern sich das Individuum hin und her schleudernd zu einer undefinierbaren, gesichtslosen Masse verklumpt.
            Man ist eine Kopie, eine Replikation des Eigenen, die immer weiter verblasst, verschwimmt und beinahe gänzlich scheidet.
            GRIM ist in seiner konsequenten Auslöschung von Raum und Zeit in dieser Form einzigartig, da es sämtliche Fixpunkte der Sehgewohnheiten zerschmettert und hinter die Fassade, hinter die Abbilder der Realität starrt.

            Auch ich will diese auseinanderstrebende, zerberstende Wohnung nie mehr verlassen und hätte mir auch einen kompletten Langfilm mit diesem Mindfuck-Bukkake anschauen können.

            https://www.youtube.com/watch?v=tQmQ6H9Y0p0

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              Jimi Hendrix 16.12.2019, 18:07 Geändert 16.12.2019, 18:18

              https://www.youtube.com/watch?v=Dbb_X-B4bDg

              Hall und Rauch. Der sagenhafte Feudalepos MARKETA LAZAROVÀ schwingt in verschneiten und verschlammten Landschaften mit verschlossen-märchenhafter Ingrim den sakralen Morgenstern aus Blut, Rache und Vergeltung. Ein sonderbares wie faszinierendes Sperrgut des tschechoslowakischen Kinos, das durch seine surreale Erzählform und in expressiver Bildartikulation das Leben und Sterben zweier Raubritterfamilien in Böhmen krächzend und rau vor sich hin murmelt.

              Wäre dieser Film eine Band, wäre sie wohl eine Mischung aus Medieval-Noise-Rock, Shoegaze und Orthodox Black Metal. Denn es geht rustikal und hallend zu, wie in einer großen Kirche spielend ist der Kosmos von Frantisek Vlácil Historiendrama voller Rückkopplung, in sich verschwimmendes Bildwerk, die das Chaos der Zeit in ihrer optischen Vibration übertragen.
              In ihrem hohen Schneegestöber und tiefen Schlamm erblicken wir Menschen und Wölfe. Doch was uns Vlácil eigentlich sagen will ist, dass der Mensch Wolf wart. Das er jagt wie ein Wolf, tötet wie ein Wolf und stirbt wie ein Wolf. Hier regiert die nackte Gewalt, raue Männerstimmen überbrüllen die starre, stille Wintertopografie. Schwerter reißen ihre Beute um zu überleben und hier sehen wir zwei Räuberbanden, die im Würgegriff aus tückischen Ränkespielen, Erpressung und Habgier in einen tödlichen Strudel der Gewalt geraten. Unter ihnen auch die titeltragende aber heimliche Hauptdarstellerin Marketa (betörend unschuldig: Magda Vásáryová), die als Tochter des Räuberhauptmanns Lazar sinnbildlich madonnenhaft als heilige Maid den bitteren Geschmack aus unausweichlichem Schmerz schmeckt und den harten hellen Kontrast zu der dunkel-archaischen Wildheit der übrigen Protagonisten bildet. Dabei erinnert die feudale Geschichte oft an Kurosawas DAS SCHLOSS IM SPINNWEBWALD oder auch DIE VERBORGENE FESTUNG, ist jedoch in ihrem Erzählstil weitaus komplexer sowie sperriger und bietet auch visuell ganz große Momente. Dazu steuert Zdeněk Liška nach DER LEICHENVERBRENNER erneut sein betörend-chorales Score bei, der dem blutigen Zauber ein märchenhaftes Hintergrundrauschen verleiht.

              Wer ein klassisches tschechoslowakisches Wintermärchen erwartet, wird genauso schockiert sein, wie jene, die einen stringenten Historienfilm erwarten. Es ist vielmehr anstrengende Filmkost, die man gut kauen muss, damit sie bekömmlich ist. Lässt man sich aber auf Frantisek Vlácils asynchrone Erzählstruktur ein und versinkt in den epischen Arrangements aus Mystik und Mittelalter wird man wie gebannt sein von der eigensinnigen Magie dieses Werks.

              Bei YT in sehr guter Quali verfügbar:
              https://www.youtube.com/watch?v=0LNhVOrUe5I

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                Was, wenn die wahren Zombies nie tot waren? In einer Moral-verwesenden Gesellschaft, mit hinkenden Sozialsystemen und stumpfsinnigen Unterhaltungsmöglichkeiten kann jeder ein Zombie sein. Willkommen im Club der Untoten.
                Zombies früh am Morgen Schlips tragend in der U-Bahn.
                Zombies mittags vor dem TV, wie wir Zombies begaffen, die noch Untoter leben, als wir. Zombies abends vor dem Bildschirm, um auf Zombies zu ballern.
                Zombies mit offenen Hosen, um sich auf geile Zombies einen zu keulen bis die Vorhaut flattert.
                Zombies bei Farcebook, Zwitter und Inszestgram die vorgaukeln eine lebendige Existenz zu haben.
                Zombies in Arenen laut schreiend, wie sie hochbezahlten Zombies beim Schlurfen zusehen.
                Zombies in Clubs, den Balzplätzen für neue Zombiegenerationen.
                Zombies im Kino, die sich Zombieabbilder anschauen.

                George A. Romeros Genrebegründung ist genau aus diesen Inkarnationen so verdammt interessant, da sie gedankenoffen Reflexionsräume bauen, verbarrikadieren. und stürmen lassen. Dabei hat jede Gesellschaft ihre Kellerkinder, die unsolidarischen Zersetzungsmechanismen, die sich in Rasse, Alter, Geschlecht zermalmen lassen einerseits. In das fremde, unverständliche verdinglichte Außen, dass fatalistisch zur unausweichlichen Bedrohlichkeit wird und den Status Quo auflöst, in dem sie aufdringlich auf eine pseudofunktionale Gemeinschaft zurück schlagen und ihren eigentlichen Wert erzwingen. So können diese Rückkehrer im doppelten Sinne sicherlich als Kriegsversehrte, Kriegstraumatisierte, Kriegstote gesehen werden. Deshalb sind die eigentlichen Zombies in DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN innerhalb zu verorten, da sie die parabelhaften Bildnisse der Zerwürfnisse darstellen, es gibt für sie keinen Ausweg aus dieser Zwangsgemeinschaft außer durch den Tod, es gibt für sie kein Überleben, außer durch den gemeinschaftlichen Konsens. Wirklich sprachgewaltig wird es dann gegen Ende, denn wo auf dem Weg des Überlebens viele Verluste zu beklagen sind, man sich selbst mit Verlustängsten, Eitelkeiten, Gelähmtheit, Missgunst, angeblichem Heldenmut und Opportunismus entmenschlicht und nur noch Ben übrig bleibt, die Zombieapokalypse eigentlich überstanden scheint, liefert Romero sein klares Statement, als die Landwehr Ben dann kurzerhand für einen Zombie gehalten, erschießt und an Fleischerhaken aus dem Haus zieht. Da schließt sich der große Kreis, weil Zombies werden nicht durchs Kino geschaffen, sondern durch den misstrauischen Blick in fremde Augen.

                Zombie o, zombie (Zombie o, zombie)
                Zombie o, zombie (Zombie o, zombie)
                Zombie no go go, unless you tell am to go (Zombie)
                Zombie no go stop, unless you tell am to stop (Zombie)
                Zombie no go turn, unless you tell am to turn (Zombie)
                Zombie no go think, unless you tell am to think (Zombie)

                Tell am to go straight
                A joro, jara, joro
                No break, no job, no sense
                A joro, jara, joro
                Tell am to go kill
                A joro, jara, joro
                No break, no job, no sense

                - Fela Kuti

                DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN als reinen Unterhaltungsfilm zu sehen, ist legitim, aber als solcher hat er im Angesicht der Zeit schon etwas an Zug verloren. Inszenatorisch zwar immer mehr zu einem klaustrophoben Klimax getrieben, sind die grauenhafte musikalische Untermalung und die klischeehaften Rollenbilder doch schon recht abgeschmackt und verleiden den Horrorspaß etwas. Doch tut man George A. Romero mit dieser einseitigen Unterhaltungspräferenz deutlich unrecht, ob seiner vielen metaphorischen Gesellschaftskritiken.

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                  Sachdienlicher Hinweis:

                  Die Lichtspiele Kalk in Köln zeigen heute am 13.12 ein SUSPIRIA-Double. Ich werde mit ein paar Moviepilotleuten vor Ort sein, wer Lust auf einen Plausch hat, kann sich wie gewohnt melden. Wir haben auch eine Whatsapp-Gruppe, in welche man für kommende Treffen kommunizieren kann.

                  https://www.lichtspiele-kalk.de/filme/suspiria-2018/

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                    Jimi Hendrix 11.12.2019, 17:39 Geändert 11.12.2019, 17:46

                    https://www.youtube.com/watch?v=VanmbG0t1k4

                    Das stille Sterben der kleinen Tinderella und die zunehmende soziologische Entmatchung von Mitleid, Solidarität und Nächstenliebe. Die zweite filmische Adaption von Hans Christian Andersens gleichnamigen Kunstmärchen kommt in einer lieblich schwebenden Melancholie der wortlosen Bilderzählung daher und Worte braucht es auch nicht, denn DAS KLEINE MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN ist eine einzige große Allegorie. Die winterliche Kälte wird hier schnell zur gesellschaftlichen Zerreisprobe und die niedrigen Temperaturen gefrieren nicht nur im Egoismus eines Entsammenlebens, sondern offenbaren konkret den Wert einer solchen Gesellschaft durch das Leben und Sterben der Mittellosen, die als empfindlicher Gradmesser der Solidarität in eben diesem Mädchen symbolisiert zu Tage treten. Sie wird an diesem Silvesterabend keine Streichhölzer verkauft bekommen und auch an keinem der folgenden Tage.

                    Bei Jean Renoirs Verfilmung aus dem Jahr 1928 geht es um diese ethischen, moralischen, sozialkritischen Parameter, verpackt in der perfekten Nonverbalität die des Stummfilms eigen ist und die dem Ganzen noch mehr Distanz und Eisigkeit vermittelt. Jede abweisende Geste der Passanten ist ein schmerzvoller Schlag ins Gesicht einer gesättigten Menschenschaft, die für das Magenknurren des Gegenübers schon lange taub geworden ist. Und in diesen undurchdringlichen Wänden schreit das Mädchen still nach Wahrnehmung, nur um doch ungehört und einsam an einen Zaun gekauert einzuschlafen. Sie träumt sich in halluzinatorischen Traumbildern in eine andere Welt, eine verspielte Welt, als Alice im Wunderland zwischen Puppen und Spielzeugsoldaten trifft sie zunächst ihren Prinzen und dann den Totenkopfhusaren, der an das preußische Husarenregiment angelehnt ist. Es entbrennt eine rasante Reiterverfolgung, ein Ritt auf der Schwelle zum Sterben und darüber hinaus.

                    DAS KLEINE MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZERN überschreitet zwar manchmal die Grenzen zum herzensrührerischen Kitsch, schafft aber immer einen ernsten Unterton der philosophischen Fragestellung, sowie der märchenhaften Stimmung, um sehenswert und traurig zugleich das Mitleid anzufassen.

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                      https://www.youtube.com/watch?v=9loIw0dI9n4

                      DER MANN DER LÜGT ist eine feine surrealistische Filmpsychose, mit erwähnenswertem Soundscore und mannigfaltigen Deutungsansätzen. Hierbei chiffriert der ungezähmte Widerspenstige des französischen Kinos, Alain Robbe-Grillet, ein Spiel mit der Grenze des menschlichen Verstandes, welcher zwischen Realität, Illusion, Einbildung und Trauma völlig zerschlagen wird. Genauso kann man das Werk als böse metaphorische Anklage gegen die Nachkriegsgesellschaft eines besetzten Frankreichs sehen. Welches durch Kollaboration tief gespalten in Lüge, Verdacht und Vorbehalte die individuelle Frage nach Mittäterschaft wahrheitszerfleischend unterbewusst oder bewusst verdrängt.

                      "Ich kämpfe im Dunklen und jeder Weg den ich beschreite, ist eine blinden Gasse."

                      Im Mittelpunkt steht der titelgebende Boris (lecker: Jean-Louis Trintignant), der scheinbar mit seinem Kumpanen Jean in der Résistance gegen die Wehrmacht kämpfte und nun in deren Heimatdorf zurückkehrend, immer neue facettenreiche Geschichten von Flucht, Gefangennahme, Verrat, Heldentat und Tod seines geliebten Freundes Jean zu berichten weiß. Dabei bröckelt schnell die Fassade, denn die Puzzleteile seiner Geschichte wollen nicht ineinander passen, ja sie verkeilen und verkanten sich an Widersprüchen. Doch ist Boris nur das traumatisierte Opfer des Krieges, der psychisch schwer gezeichnet nicht mal von Leuten seines Dorfes erkannt wird, oder wollen sie ihn wissentlich nicht erkennen, aus Angst sich eingestehen zu müssen, dass sie tatenlos die deutsche Besatzung duldeten, ja sich gar mit dieser arrangierten?
                      Schnell unterstellt man Boris heimtückische Absichten, er will seine Wahrheit unter die Leute bringen, die einzig zählbare: die (Über)lebende, denn die Wahrheit der Toten zählt nichts mehr. Andererseits hätte Boris starke Motive, zu lügen, liebt er doch schon lange die Frau seines besten Freundes Jean, oder ist Boris die Reinkarnation eben jenes Freundes?

                      Das alles bleibt immer angedeutet und genau das macht DER MANN DER LÜGT umso stärker, nachwirkender. Weil man als Zuschauer nicht länger zuschaut, sondern Robe-Grillet manipuliert, entzündet, berührt und provoziert unmittelbar unsere eigenen Wertungen der Charaktere.
                      Dazu benutzt er nicht nur die narrative Zerfledderung und funkelnde Diversität, sondern bedient sich experimenteller, tonal-visueller Diskrepanzen, welche ständig die Atmosphäre unterschwellig korrumpieren.

                      Für mich ein viel zu unpopuläres Werk des ebenso unterrepräsentierten Alain Robbe-Grillet, denn sowohl handwerklich, schauspielerisch wie auch metapsychologisch, wird hier ein Füllkrug der Interpretationen geboten, aber bequemes Unterhaltungskino ist das nicht.

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                        https://www.youtube.com/watch?v=e9wFuGNE11c

                        Ein intensiver 71-minütiger Artcore-Ritt in die okkulten Tiefe des psychotronischen Films. Cosmotropia de Xam liefert kühlen, leeren bizarren Avantgarde-Horror, der optisch in Grenzbereiche sticht und auch als lange Witch House-Videoclip-Session funktioniert, da die elektronischen Sounderuptionen den surrealen, bizarren Bildern ihre Grundlage geben.

                        Inhaltlich ist PHANTASMAGORIA allerdings eher ein Heißluft-Saurier, der sich einen Dreck, um den substanziellen Urknall schert, sondern zynisch-ignorant das Nichts zelebriert, das klappt vielfach, doch ermüdete ich teilweise in den temporären Luftlöchern.

                        Als schwarze Messe irgendwo zwischen David Lynch Rezitat, der trashig-verstörenden Undergournd-Note eines Lucifer Valentine (ohne Vomit) und düsterem Fuck-Off humoreskem Kunsttrash, ist dieser Film vor allem eines: eine eigenwillige experimentelle Erfahrung.

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                        • sach mal, wie hast du deine dvd sammlung sortiert im regal? auch einfach via ABC?
                          ich bin mit meiner ABC-sortierung einfach nicht mehr zufrieden und schaue mich gerade um, wie andere das handhaben.

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                            Jimi Hendrix 07.12.2019, 13:31 Geändert 07.12.2019, 14:30

                            https://www.youtube.com/watch?v=W6ksYyMRztg

                            Exotischer wenn auch anstrengender Beitrag vom Italowestern-Novizen Giulio Questi, der in TÖTE, DJANGO unter hohen misanthropischen Leichenbergen, letalen Kugelgewittern und diversen anarcho-politischen Fallstricken sein gesellschaftszynisches Klagewerk maskiert. In teils langatmigen, tiefen Zügen können wir hier alles andere als gut Kacken, sondern bekommen Sodom und Gomorrha offenbart und Tomás Milián als ebenso verdorben-gefallener Erzengel Django.

                            Sergio Sollima wurde mit seiner sozialistischen Cuchillio-Trilogie in Italien und darüber hinaus bekannt und zeigte, neben Cobucci, zu welchem spitzzüngigen, kritischen Wolf im Schafspelz klischeehafter Ramsch-Produktionen der Italowestern im Stande war. Questi sollte mit TÖTE, DJANGO und eben diesem verschlagen-trickreichen Cuchillio in charismatischer Person Tomás Miliáns diese Allegorie als Sprengsatz neu zünden und wie! Schon die ungewöhnliche Laufzeit lässt aufhorchen und spätestens in den ersten Szenen wird in experimentellen, schnellen Rückblende-Intervallen unterfüttert durch das seltsam jazzig-passende 3/4-Score angedeutet, wo die Reise hin geht. Sie wird uns tief führen, tief in ein Dorf in welchem wir mit dem Protagonisten samt einer riesigen Goldmenge gespült werden nur so nach Parabeln des Sarkasmus und der Anklage bettelt. Den auf den staubigen Straßen, den vom Wind gestreiften Häusern liegt unser aller Abgrund, voller entmoralisierter-soziologischer Dysfunktionen, in Habgier und Selbstsucht erdrosselt, blind durch die eigene Opportunenz gibt es hier nichts als den zäh ins Zentrum strudelnden Tod zu finden.
                            Giulio Questi macht es dem Zuschauer dabei nicht so angenehm wie Sollima seinerzeit und präsentiert uns den Armen, aber menschenfangenden Held aus dem Untergrund, der sich mit moralischem Recht nimmt, was er braucht. Nein hier bleibt alles nebulös und glitschig, eine Identifikation mit einem der Charaktere ist bis auf die zwei Natives gänzlich unmöglich. Angefangen von der lynchmörderischen perfiden Dorfschaft und den zwei internen Kapazitäten, über verräterische Golddiebe bis hin zu einem Ducesken Lüstling. welcher seine Knabengarde als unsubil schwarzhemdige Burschenschaft ins Feld führt, um an das Gold zu kommen.

                            Einen wirklich klaren Plot sucht man ebenfalls vergebens und irrte somit gleich dem Hauptdarsteller Django in dieses ziellose Chaos aus sinnlosen Gewaltexzessen, Rachefeldzügen und Intrigen. Dazu gibt es zwar interessante progressive Handwerklichkeiten zu bestaunen, doch bleibt TÖTE, DJANGO in seiner visuellen Dichte, der Tempohärte wie auch der Bildsprachlichkeit hinter Genregrößen wie Leone, Corbucci und Sollima zurück, was die knapp zwei Stunden Laufzeit sich auch oft genug anmerken lassen. Dennoch bleibt es ein Sonderling mit Brisanz, den man sich auch als Politikinteressierter gerne zu Gemüte führen kann.

                            Englisch mit Untertiteln:
                            https://www.youtube.com/watch?v=FPW1vQk0h6s

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                            • sag smoover, wo hast du "millenium mambo" gesehen? ich möchte den schon lange schauen, aber finde nirgendwo einen zugriff, ohne gleich die dvd importieren zu müssen..

                              psygrü
                              jimi

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                                Jimi Hendrix 05.12.2019, 14:57 Geändert 05.12.2019, 15:01

                                https://www.youtube.com/watch?v=K1lD5cE6Bwc

                                Robert Eggers` feucht-klaustrophober s/w-Mystik-Albtraum fischt im klammen Verstand seiner Protagonisten und weckt in der trüben Tiefsee manchmal zu plump try-art, aber oft ehrgeizig dunkle Ungeheuer menschlicher Ängste. Die engmaschige Atmosphäre aus Einsamkeit, Identitätssuche und Wahnsinn bildet dabei die Klippe, an deren Vorsprüngen sich der Horror erst still schwappend, dann tosend bricht. Tonal dabei noch unterstützt von einem SHINING-artigen Klanggewitter, welches die archaische Bilderflut nochmals auftürmt.

                                DER LEUCHTTURM vermag von den ersten Einstellungen beginnend in den Bann zu ziehen. Fast zu klischeehaft und punktgenau sind doch die Ingredienzien aus dem still-drohenden Leuchtturm irgendwo am Rande der existierenden Welt, den zwei rauen, unterschiedlichen Leuchtturmwärtern sowie dem Meer, die zusammengetan sofort eine bedrückende, stille Spannung in sich aufbauen. Robert Pattinoson beeindruckte mich dabei schon im Trailer ungemein mit seiner erstaunlich unverschämt passenden Aura und Willem Dafoe ist sowieso immer ein Grenzwandler des Kinos. Diese beiden begleiten wir nun also auf ihrem mehrwöchigen Außenposteneinsatz, der mich einige Male an Ingmar Bergmans DIE STUNDE DES WOLFES erinnern sollte.
                                Dabei agiert Eggers aber weit weniger kopflastig und raffiniert wie der große schwedische Direktator, sondern lässt in den ersten Szenen schon unsubtil einen Konflikt zwischen den beiden Männern aufgischten, auch weil Thomas Wake (Willem Dafoe) ein unheimlich kratzbürstiger, schroffer Klischee-Seebär ist, der ganze Segel mit seinem Seemannsgarn rhetorisch altklug beflickt und andererseits Ephraim Winslow (Robert Pattinson) als junge Landratte jede Ruppigkeit, jeden Tadel und jede Undankbarkeit des Alten schweigend in sich aufstaut.
                                Doch die gekünstelte charakterliche Bipolarität tut dem Film keinen Abbruch, denn handwerklich ist DER LEUCHTTURM ein grafisches und atmosphärisches Meisterstück, in welchem das Meer zur treibenden Energie wird und das Kammerspiel aus psychologischem Wahn und physiologischem Schmerz weiter aufpeitscht, bis zum unausweichlichen Klimax.

                                Manchem dürfte es wohl inhaltlich zu verwaschen, zu trübe sein, was Robert Eggers da auf die Leinwand dunstet, auch da hier ganz tief in den klischeebefüllten Seesack gegriffen wird. Doch fesseln die Bilder, der Sound. die Emotionen von Pattinson und Dafoe extremst, die sich hier bis zum Ertrinken in diese Flut werfen und somit ist DER LEUCHTTURM eine außergewöhnliche Sinneserfahrung im Kinojahr 2019, welche man sich nicht entgehen lassen sollte.

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                                  Sachdienlicher Hinweis:

                                  Das Lichtspielhaus Kalk zeigt am Samstag 07.12 diesen frisch-okkulten Avantgardehorror-Streifen in Anwesenheit der Künstlerin. Ich werde auch da sein, wer Bock hat auf ein Bierchen oder einen Plausch, einfach kurz melden.

                                  https://www.lichtspiele-kalk.de/filme/phantasmagoria/

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                                  • also der trailer ließ mich ob der geballten rückwärtsgewandtheit und der nostalgie-eigenmasturbation eher abwinkend zurück, doch vllt schaue ich mir den mal an. aber wiederum 209 minuten für eine h wirklich substanzielles zu opfern...

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                                    • bitte mehr von solcher denkanstößigkeit in den news!

                                      und dennoch:
                                      "Und wozu überhaupt das eine gegen das andere ausspielen. Streaming ist nicht die Antithese zu Kino, beide Medien können voneinander profitieren. Deadline und Variety zufolge haben Studien gezeigt, dass regelmäßige Kinogänger auch überdurchschnittlich häufig Streaming-Inhalte konsumierten. Die seit jeher fragliche Behauptung, Netflix zerstöre das Kino, ist längst widerlegt."

                                      das lässt aber nicht den umkehrschluss zu, dass konsumenten von streaming-inhalten auch regelmäßig ins kino gehen, im gegenteil. und das bestätigt sehr wohl, dass netflix die kinokultur zumindest mit zerstört.

                                      ich schaue zumindest immer noch mehrer filme pro monat im kino und hole mir auch noch meine oldschool dvds stoisch im laden oder auf kleinanzeigen. es ist natürlich aber auch eine standortfrage. bei uns in köln ist die kinolandschaft trotz des bonzenkinos cinedom recht gesund (zumindest was man so mitbekommt). so können durch die subkulturellen abschöpfungspotenziale auch kinos mit kleinen preisen und weniger effektvollen 3-d erlebnissen ihren unterhalt bestreiten. da lohnt sich ebenso die spezialisierung in filmclubs (filmclub 813 köln), in OV-kinos (offBroadway), sowie in rescreen-projekten mit HdR-filmreihen (Rex am Ring, Lichtspielhaus Kalk) und dem kinokulturellen rahmen des länderaustausches wie im japanishen kulturinstitut zb.dazu noch kleine liebhaberprojekte wie der traumathek.

                                      man hat hier als filmfan die verantwortung zwar frei entscheiden zu können, ob man eben dabeim in der jogginghose isoliert hocken bleibt, oder den sprung in einen gesellschaftlichen austausch wagt, nichts mag richtig oder falsch sein, aber man soll dann am schluss dem nostalgischen dinosaurier namens kino nicht heuchlerisch hinterher weinen, wenn es selbst in großstädten für nischenkinos nicht mehr reicht.

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                                        Jimi Hendrix 03.12.2019, 12:46 Geändert 03.12.2019, 15:06

                                        https://www.youtube.com/watch?v=MhEm4S-4v_U

                                        Absolut unterrepräsentierter Antikriegsfilm den Kon Ichikawa aus der gleichnamigen autobiografischen Literaturvorlage von Shōhei Ōoka brutal und fatalistisch herausschält bis auf die Knochen und dabei eine schnörkellose Hoffungslosigkeit aus der Leihnwand kriechen lässt, die in ihrer mürben, ausgetrockneten Konsequenz nur erschüttern kann.

                                        Was in der schwerfälligen und dennoch meisterlichen Opulenz von BARFUß DURCH DIE HÖLLE vom großen Masaki Kobayashi im gleichen Jahr, 1959 als großflächige Gesellschaftsanalyse der Kriegsauswirkungen eingefangen, oder themenverwandt auch in Yasuzo Masumuras RED ANGEL spezifiziert und mikroskopisch am Schicksal einer Krankenschwester an der japanischen Front beleuchtet wird, ist in NOBI - FEUER IM GRASLAND die pure fast vollkommen narrationslose Essenz des Grauens und des Traumas einer besiegten Nation der ehemaligen Göttersöhne.

                                        1944 auf den von Japan brutal kolonialisierten Philippinen. Die Schlacht um Leyte ist geschlagen und die Überreste der ehemals stolzen kaiserlichen Armee sind auf der Insel versprengt.
                                        Unvermittelt wirft Ichikawa sein Werk und deren Betrachter in einen langen Dialog, der uns den Protagonisten Tamura (seine leblosen Augen bleiben im Kopf: Eiji Funakoshi) vorstellt und genauso unvermittelt bekommen wir schon beim ersten Blick in das Gesicht Tamuras die Leere entgegen gehaucht, die er als Kriegsbemalung naiv, im Kadavergehorsam bekommen hat. Er ist die repräsentative willenlose Puppe, die in den hohen und stürmischen Wogen des zweiten Weltkriegs hin und her taumelnd versucht, irgendwie das nasse untergehende Leben ans Ufer zu retten. Fast kindlich, beinahe ein geistiger Simplicissimus und doch ein Mensch mit dem Verständnis von Richtig und Falsch, die im Krieg eher tot im Matsch lagen, als andere.
                                        In NOBI werden wir den Überlebenskampf dieses Mannes in 104 stringenten Minuten unfassbar nihilistisch mitgehen müssen, vorbei an Krähen-geschmückten Leichenbergen, skurril massakrierten Zivilisten, hungernden Kameraden, die im Wahnsinn kotverspeißend auf den Flieger ins ferne Japan warten. Wir wanken in zerrissenen Lumpen als Zombies oder Armeisen, humpeln von bleiernen Blitzen getroffen und dem Hungertod nahe aus dem Leben in eine zwischenweltliche rohe Existenz, die alles Menschliche überwinden muss, um in der Kriegshölle 1945 überleben zu können.

                                        So banal und dünn die Handlung, umso vielwortiger wählt Kon Ichikawa seine Bildsprache, die pessimistisch, klar und so rigoros wie völlig unverspielt Elend zeigt. Dabei verzichtet er auch auf innerkameradschaftliche Konflikte, ebenso bleibt der amerikanische Feind beinahe unsichtbar. Der Feind sitzt hier nicht auf der anderen Seite, oder als Verräter hinter dir, sondern in dir selbst und flüstert, winselt, schreit mit dem bestialischen Hunger im Kopf, wie viel Mensch-sein, moralische Werte oder wie viel Gewissen du dir leisten kannst?

                                        Für manche mag eben diese Schlichtheit NOBI vielleicht spröde oder gar trivial wirken, aber es muss nicht immer epochales Erzählkino à la Terrence Malick, Christopher oder Masaki Kobayashi sein, sondern manchmal Bedarf das psychische und physische Sterben des Menschen nur den simplen Bildern und die liefert Kon Ichikawa in unbarmherziger Kargheit.

                                        Den gibts in ganz guter Quali + engU auf YT (ein Dank wieder man an Smoovers geniale Liste!):
                                        https://www.youtube.com/watch?v=I0wv79C0zqc

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                                          Jimi Hendrix 29.11.2019, 16:24 Geändert 29.11.2019, 17:09

                                          https://www.youtube.com/watch?v=ReqhO232HU8

                                          In den toten kalten Eingeweiden wühle ich mich zitternd voran, sie sind entvölkert vom Leben. Stumm und starr, leere Kathedralen aus Haut, Knochen und geronnenem, fauligem Blut, ein Weihrauch aus Verwesung zieht durch ihr stinkendes Gewölbe. Die innere unbestimmte Leere zerrt mich immer wieder zu den frivolen Messen aus Schmerz, Versagensangst und dem erstickten Schrei nach Bedeutsamkeit. Meine Seele liegt still und unberührt von allem Schönen in der Welt bleiern schwer auf mir um mich ins Dunkel zu drücken, ich bin ein unsichtbarer Geist für alle Lebenden. Das von seiner Vergangenheit ausgelöschte Licht, was immer gerne Feuer, Großbrand, Sonne wart, die den Schatten der Aufmerksamkeit auf andere werfend und sich aus eigener Wärme verzerrend in seiner Existenz erträgt. Doch meine Lust ist schmerzverzerrte Verstümmelung. Taubheit kriecht verstohlen und Hyänen-gleich durch die ausgestorbenen Gassen meiner Venen und pocht dumpf wie drängend in meiner erregten Männlichkeit. Ich selbst bin viele Male gestorben und fühle mich nur unter den passiven, frostigen Leichen noch als Mensch, lebendig, glühend und selbstbestimmt.
                                          Ihr unausgesprochener Atem wird mich nicht mit Worten verletzen.
                                          Ihre verkrampften, eisernen Hände werden mich nicht schlagen.
                                          Ihr verlorener Blick wird mich nicht verachtend treffen.
                                          Ihre Möse wird meinen Schwanz nicht erniedrigen.

                                          "Your stinking corpse I desire
                                          Nothing can take me higher
                                          Fucking you till your bones break
                                          Another one has to die

                                          Cum dripping from my dick
                                          Fucking you to the core
                                          Can't take this anymore
                                          My brain is driving me insane.

                                          Necrolust."
                                          - Mayhem, Deathcrush(1987)

                                          NEKROMANT ist vor allem eines: ein derbes, oxymeroneskes Kunsttrash-Schattenstück teutonischer Säuerlichkeit, der Aufstoßen lässt und in seiner zwitterhaften Bildsprache aus grobkörnigen, amateurhaften Unerträglichkeiten einerseits und den seltsam entrückten experimental-Anklängen andererseits das stinkige, scharf in die Nase ziehende Psychogramm eines Nekrophilen auf die Leinwand rotzt. Wild, billig und bedeutsam unbeugsam.
                                          Damit trifft er einen Nerv. Wie auch schon Hisayasu Satô, Christoph Schlingensief oder Lucifer Valentine speist sich Jörg Buttgereits untergründiges Machwerk eben aus diese polaren Inszenierung und dem Bezug aus Individuum und Gesellschaft industrieller Staaten, die in eine Spirale der Dysfunktion geraten. So wie auch die Welt sich nämlich globalisiert, so sind auch deren gesellschaftliche Bruchkanten globalisiert und ihre Splitter stecken zuallererst im Fleische der Jugend. Diese subversiven Splitterfilme zeigen allesamt Vereinsamung, Identitätssuche, das fehlen der eigenen Wahrnehmung, des sich nicht mehr Spürens die zur geistigen Gesellschaftskrankheit ganzer Generationen erwächst und sich in krankhaften Individuen wie Rob in Perversion, Gewalt und Irrsinn bahnbrechen.

                                          Es ist dennoch schwer für mich NEKROMANTIK zu bewerten, da mir die Handschrift von Buttgereit an manchen Stellen zu unleserlich und schlampig erschien. Vor allem der Anno 1602 Soundtrack der einem Wehrmachtseinmarsch in meine Ohren glich, konnte ich nur schwerlich ertragen. Dennoch wurde der Streifen Zeile für Zeile in welcher ich über ihn schrieb sinniger und wichtiger für mich in der Art, wie unabhängig radikal und frei hier eine tabuisierte Charakterstudie heraus geschrien wurde. Um einen empathischen Hauch dessen zu spüren, wie sich Nekrophilie anfühlen mag, sowie deren emotionale Tiefen zu ertasten, ist dieser Film jedem kältestens zu Empfehlen. Aber passen Sie auf, dass Sie sich nicht Neck über Kopf verlieben, es lebe die Romantik!

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                                            Jimi Hendrix 27.11.2019, 17:30 Geändert 27.11.2019, 17:31

                                            Belanglose, vollig überschätze und öde Slashersatire, für die ihre grobschlächtigen Metaebenen schnell selbst zu Fallgruben der Klischee-gepfählten Langeweile werden und im schmerzhaften Reinfall der spannungslosen Antikulmination erschlaffen.

                                            THE CABIN IN THE WOODS fühlte sich für mich an, wie eine dieser abschreckenden Lehrfilme, die man in handwerklichen Berufsschulen gezeigt bekommt, um in schrecklich gestellten Szenen voller Dämlichkeit zu zeigen, was einem alles für grauenvolle Arbeitsunfälle passieren können, wenn man eben nicht die Sicherheitsvorschriften ließt und noch weniger befolgt, sondern alles an Naivität aufzurufen versucht Körperteile, das Augenlicht oder sogar das Leben dem Gott der Fahrlässigkeit darzubieten. Ja dieser Film ist ein Arbeitsunfall auf vielen Ebenen, ob in der Besetzung mit dem leidlich stupiden Arsch-etypus Chris Hemsworth, welcher für sich genommen schon als Unfall gelten sollte. Dazu kommen die grottig halbgaren Versuche die eigene Spannungs-Fallhöhe durch sämtliche Klischeesümpfe des Genres auf unorgiginelle Weise steigern zu wollen.

                                            Der narrative Twist kann den ungebremsten Fall aus Ärger über die verlorene Lebenszeit zwar noch etwas abfedern, doch es bleiben empfindliche Blaue Flecken auf dem geprellten und eigentlich nicht sonderlich großen Intellekt, sowie das Gefühl, wieder man gründlich verschaukelt worden zu sein, von pseudokreativem, Meta-Horror-Hotstuff.

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                                            • Jimi Hendrix 27.11.2019, 13:53 Geändert 27.11.2019, 13:57

                                              1. Du bekommst eine Million Euro. Voraussetzung ist, dass Du in Deinem Leben nie wieder Pommes essen kannst. Nimmst Du an?
                                              - ich mag keine pommes, aber sobald ich sie nicht mehr essen dürfte, würde ich sie sicher umso lieber wieder mal probieren, also behalte die kohle für dich.

                                              2. Du bekommst die Möglichkeit für eine Woche auf die ISS zu fliegen. Ausbildung und fehlende Arbeitszeiten werden Dir großzügig bezahlt. Nimmst Du an?
                                              - und ich hab bislang immer unbezahl für den IS arbeiten müssen, diese schweine! war aber eh ein kopfloses unternehmen und ist deshalb wohl auch pleite gegangen.

                                              3. Alles im Universum schwingt. Überträgt man diese Schwingungen in hörbare Oktaven, kann man theoretisch Planeten hören. Bei welchem Planeten würdest Du gerne wissen, wie er klingt?
                                              - also bei einem planeten weiß ich wie er klingt und das reicht für mich: https://www.youtube.com/watch?v=qtTi_uyYynA

                                              4. Überall auf der Welt gibt es tolle Landschaften. Viele davon kennt jeder, obwohl er noch nie da war. Welche Landschaft aber ist bei der Masse unbekannt, und verdient Deiner Meinung nach mehr Aufmerksamkeit?
                                              - der hunsrück!

                                              5. Wenn Du am Deutschen Schulsystem eine Kleinigkeit ändern könntest, was wäre es?
                                              - genau das ist das probem. dass kleinigkeiten verändert werden. einfach mal richard d. precht das ohr schenken.

                                              6. Welches Land außer Deinem Heimatland hast Du am Häufigsten besucht?
                                              österreich + schweiz.

                                              7. Du hast die Möglichkeit ein Jahr lang in eine fremde Kultur zu tauchen. Welche wäre es?
                                              bei den lakota, bevor die europäischen siedler kamen.

                                              8. Welche aktuelle berühmte Persönlichkeit findest Du rein äußerlich am attraktivsten?
                                              ich habe sie in sonos neuem "the forest of love" entdeckt, dort hat sie eine nebenrolle, aber ich konnte ihren namen nicht herausfinden. sind die unbekannten, mysteriösen nicht sowieso die attraktivsten?

                                              9. Wann warst Du das letzte Mal in/im/auf/bei...

                                              Restaurant - anfang diesen jahres: totenschmaus nach der beerdigung meiner lieblingsomi :,(.

                                              Theater - jeden fucking tag meines lebens.

                                              Kino - vor zwei wochen: parasite.

                                              Konzert - diese woche, black lips.

                                              Sportveranstaltung - letztes jahr, fussball: bayer-bvb.

                                              Museum - diesen monat, im max ernst museum, brühl.

                                              Vortrag - keine ahnung.

                                              Ausstellung - diesen monat, in der möbius-ausstellung, sehr zu empfehlen!

                                              Freizeitpark - seit jahren nicht mehr.

                                              Keller - in meinem folterkeller? jeden tag zur fütterung halt.

                                              10. Deine Lösung für das E-Roller Problem? - wir haben kein e-roller problem, sondern ein e-roller fahrzeughalter-problem.

                                              11. Warum ist es einfacher gegen etwas zu protestieren, als sich für etwas einzusetzen?
                                              - ich habe die anderen antworten weiter unten noch nicht gelesen, aber sicher hat schon jemand gesagt, dass es immer leichter ist destruktiv zu sein, da auch passivität destruktiv sein kann. da konstruktivität dagegen speist sich aus einem tatsächlich aktiven verhalten und konkreten ideen. ka das wäre mein erster impuls der erklärung.

                                              12. Was ist typisch Deutsch?
                                              - neid.

                                              13. Glaubst Du an die String-Theorie?
                                              - ja. durch die geschwungene, einfriedende umrandung betont sie die sattheit der pobacken. was ich an der theorie besonders schätze ich ihre praktikabilität. so kann man sie mit einer geschickten bewegung zur seite schieben, um wärend des aktes dennoch die string anbehalten zu können.
                                              das macht sie schell einsatzfähig und hat den reiz, des verruchten, verfügbaren.

                                              14. Nenne einen Song der Dein Guilty-Pleasure ist.
                                              - boys boys boys von sabrina, ich feier dieses lied seit jahren derbe ab: https://www.youtube.com/watch?v=tpFP2K2nyls

                                              15. Und einen Guilty-Pleasure-Film?
                                              - "abbuzze!" von badesalz und viele disney-filme und lucifer valentine.

                                              16. Womit könntest Du am ehesten die Massen verzaubern und berühmt werden?
                                              - also 1933 reicht mir, ich bin gegen zauberer und massenberührer.

                                              17. Rezepte müssen nicht kompliziert sein, um zu schmecken. Welches Deiner Rezepte ist das wohl einfachste, aber derart gut, dass Du es immer wieder gerne verwendest?
                                              - crepes.

                                              18. Was ist eine erstrebenswerte Utopie?
                                              - das verschwinden der menschheit. wir sind ein unfall, der schon viel zu lange die erde und sich selbst foltert.

                                              19. Welchen Film hast Du trotz mehreren Sichtungen bis heute nicht wirklich kapiert?
                                              - die letzten drei lynch-werke und "the room".

                                              20. Mit welcher Figur aus Family Guy, South Park, den Simpsons, Futurama oder ähnlichen Sendungen kannst Du Dich am ehesten identifizieren?
                                              - Bojack

                                              21. Was ist eigentlich ein Hipster?
                                              - der natürliche feind eines meiner alten mp-freunde hier, nerdkiller.

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                                                über Ghost

                                                https://www.youtube.com/watch?v=HFa4a56j52o

                                                Wild, expressiv und eigentümlich-surreal. Blickwinkelerleuchtung einer zuckenden Existenz in den Zwischenräumen des Wimpernschlags, wo die Menschliche Verlorenheit ihn zum digitalen Geist enthebt.

                                                Der Lichtsüchtling Takashi Ito präsentiert uns in GHOST ein in bedrohliches Rot gespritzten Experimentalfilm, in welchem er die Gegenständlichkeit in jeder Sekunde zerplatzt. Menschen sind in dieser Inkonstanz hängengebliebenen Hologramme gleich, absorbiert in einem stotternden Zustand, der den Stillstand überwinden möchte und dennoch grausam scheitert.
                                                Diese Verlorenheit in der Technik sehe ich hier für mich. Der Mensch ist eingepflegt, eingespeist und zum digitalen Schein-existieren verurteilt. Es ist wohl kein Zufall, dass diese interpretative Dystonie aus dem sklavisch technisierten Japan kommt, als stummer, kunstvoller Schrei durch 0 und 1.

                                                https://www.youtube.com/watch?v=Zura1hUR0aQ

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                                                • Jimi Hendrix 25.11.2019, 19:28 Geändert 25.11.2019, 19:30

                                                  1. In Vorbereitung auf die nahende Adventszeit vermeide ich meine Anwesenheit in den großurbanen Konsumhuldigungstempeln.

                                                  2. Die Botschaft, die Kängufants Abwesenheit bei MP einem vermittelt, empfinde ich als nervositätssteigernd und unbehagnisfördernd.

                                                  3. Manche Klischees sind ja wirklich nicht totzukriegen. Am schlimmsten finde ich, dass Leute mit einem Musikernickname einen kleinen Schwanz haben.

                                                  4. Etienne Garde ist fernab ihrer/seiner Filmrollen immer noch davon überzeugt, dass der Familienoberhauptvogel eine ornitologische Kenngröße sei.

                                                  5. News aus der Film-Welt sind ja immer mit Vorsicht zu genießen, umso mehr, wenn sie hier auf der Newsseite aufprallen.

                                                  6. Weihnachten ist so ein ekelhaftes Moneyfest geworden, dass ich seit Jahren nichts gekauftes mehr schenke oder geschenkt haben möchte.

                                                  7. Zuletzt habe ich Reis gegessen und das war gut, da mein Baby ihre Haare für mich geschüttelt hat. Auch ihre Hände waren kleiner wie meine, damit kam sie besser in die Ecken zum Putzen und schon war ich aus dem Schneider.

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                                                  • 7 .5

                                                    Glaubenskrieg Ehe. In einer Wohnung verdichtet Seidl weltweiten religiösen Fanatismus, die Intoleranz und die gläubige Selbstaufgabe auf vier Wände zu einem archetypisch völlig überspitzten Kreuzzug, wo Jerusalem in jeder kleinen Nichtigkeit ständig neu erobert, oder befreit werden muss. Die radikale Konstruiertheit der Gegensätze gebiert unvermeidlich eine Humoreske, die aber nie komplett zur platten, halbgaren Religionskritik verschaukelt wird, sondern durch den seidl`schen Dokumentarstil mit realer Schärfe stichfest bleibt.

                                                    Der zweite Paradies-Teil ist auch niveaumäßig genau dort anzusiedeln. Ihm fehlt die exotische Kraft duftender schwarzer Männerhaut des PARADIES: LIEBE, dennoch zerfasert Maria Hofstätter in der Hauptrolle in ihrer religiöser Selbstaufgabe, als bekehrende, unermüdliche Botin des Heeren. Sie ist der kleine Soldat, der nichts hinterfragend seinem tristen Leben einen ultimativen Sinn, eine göttliche Bestimmung, als keusch haltende Schildmaid Jesus geben möchte. Dabei kümmert sich Ulrich Seidl wenig um die tiefe seiner Figuren, sie werden platziert und haben sich als repräsentative Beispiele völlig schamlos entblätternd zu funktionieren. Das funktioniert. für mich jedenfalls.

                                                    Manchem könnte diese Art der Anprangerung wohl zu plakativ und laut stampfend in seiner Provokanz daher kommen, aber Leisetreterei und intellektuelle Metakritik müssen nicht immer sein. wie ich finde.

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