Verzerrtes Feiern – Zum Geburtstag von Tim Burton

25.08.2013 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Tim Burton
Warner Bros. Pictures
Tim Burton
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Am 25. August wird Tim Burton 55 Jahre alt. Seinen Geburtstag dürfte er vermutlich nicht so hemmungslos zelebrieren wie die Feierlichkeiten in seinen Filmen, doch Mr. Vincent Vega wirft trotzdem einen Blick zurück auf die Lust am Exzess.

Geburtstage spielen in den Filmen von Tim Burton eine untergeordnete Rolle. Und wenn überhaupt, scheinen sie mit negativen Empfindungen assoziiert. Die bittere Enttäuschung darüber, nicht das erhoffte Goldene Ticket für den Besuch in Willy Wonkas Schokoladenfabrik gefunden zu haben, ist dem Gesicht des kleinen Charlie deutlich anzusehen: Nur ein einziges Mal im Jahr können sich seine Eltern eine Tafel für ihn leisten, doch eben nicht seine an das Geburtstagsgeschenk geknüpften Erwartungen vom großen Schokoladentraum erfüllen. Der Jahrestag der Geburt ist nichts, was es in Tim Burtons nunmehr 35-jährigem Schaffenswerk zu zelebrieren gilt, noch nichts allein, wofür seine Figuren belohnt werden. Der Geburtstag markiert ein Datum, ist eine willkürliche Zahl, gemahnt an das Gewöhnliche, an soziale Riten und profane Selbstbestätigung. Erst in ihr schräges Gegenteil verkehrt wecken traditionelle Festlichkeiten das Interesse des Filmemachers: Die Lust am Exzess, an verzerrtem Feiern und groteskem Vergnügen ist seinen Bildern dann umso stärker eingeschrieben. Und Tim Burtons Kino ist, ziemlich gewiss, die schönste Party von allen.

Festivitäten, jedenfalls die traditionellen, führen zur Subversion. Schon in einem seiner ersten Kurzfilme, Luau von 1982, feiern die Protagonisten reichlich grundlos vor sich her, gedacht als Parodie auf jene Surf- und Beach-Party-Movies, wie sie Tim Burton während seiner Jugend in den Sechzigern so ausgesprochen merkwürdig vorkamen. In Beetlejuice ist das kollektive Singsang-Dinner erzählerisch ebenso wenig nötig wie die abschließende Tanzeinlage, bildet aber einen denkwürdigen Moment, in dem alle Figuren plötzlich das Groteske für sich entdecken. In Batman verkehrt Burton konsumgesteuerten Hedonismus ins eigene Gegenteil, wenn der Joker zur spendablen Parade lädt und den vergnügungssüchtigen Bewohnern von Gotham City tödliches Lachgas einflößt. Die mit Kitsch und Ambrosia-Salat geschmückte Gartenparty in Edward mit den Scherenhänden wiederum scheint vor allem dazu geeignet, obszöne Suburbia-Rituale offen zu legen. In Nightmare Before Christmas führt der Wunsch nach einer perfekten Verschmelzung des Halloween- und Weihnachtsfestes zur mittleren Katastrophe. Und die Drehschluss-Party in Ed Wood findet im Tobsuchtsanfall von Sarah Jessica Parker ein jähes Ende.

Die Genüsslichkeit, mit der in Tim Burtons Filmen gegen feierliche Traditionen, aber natürlich auch ganz generell gegen Ikonographien und Insignien US-amerikanischen Wohlstands vorgegangen wird, schien immer biographisch motiviert. Nichts hat den Regisseur während seiner Kindheit im sonnigen Burbank offenbar so nachhaltig verstört wie die uniforme Alltäglichkeit freundlicher Thanksgiving-Zusammenkünfte oder väterlicher Dränge, sich wie alle anderen Kinder an sportlichen Wettkämpfen zu betätigen. Wenn Burton später in Batmans Rückkehr pervertierte Weihnachtssymbole zu Straßenschlachten aussendet, er die Alien-Invasion in Mars Attacks! als beschwingtes Weltuntergangshappening interpretiert (inklusive einer zeremoniellen Gesangseinlage von Tom Jones) oder er mit der 2012er-Version seines Frankenweenie die friedliche Vorstadt von riesigen Monstern heimsuchen lässt, dann verwandelt sich Feierlichkeit in angemessen verzerrte, destruktive Lust. "I’m a movie director", behauptet Edward D. Wood Jr. in Burtons großartigem Biopic – "Movies? You mean like the Mickey Mouse?", entgegnet ihm Tor Johnson.

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