Mel Gibson – Comeback-Versuch einer Nervensäge

27.02.2013 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Mel Gibson in Get the Gringo
Concorde
Mel Gibson in Get the Gringo
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Nach dem selbstverschuldeten Ende seiner Karriere lockt ein neuer Film mit Mel Gibson allerhöchstens noch beinharte Fans in die Kinos. Doch schon auf dem Höhepunkt seines Erfolges strapazierte er das Nervenkostüm. Eine Analyse der Selbstfolter.

Schauspieler und ihre Privatperson sollte man getrennt betrachten, wollen die Verteidigungsreflexe in Internetdiskursen glauben machen, sobald es um Mel Gibson, um Tom Cruise oder jüngst auch Klaus Kinski geht. Gut, ignorieren wir also die hochnotpeinlichen Verbalausfälle eines Mel Gibson, die seit den frühen 90er Jahren mit hemmungsloser Regelmäßigkeit öffentlich vorgetragenen rassistischen Beschimpfungen, homophoben Statements oder Sauf- und Pöbelattacken (von fragwürdigen politischen Aktivitäten ganz zu schweigen). Ob Mel Gibson in seiner mit gescheffelten Millionen erbauten Privatkapelle den tridentinischen Ritus zelebriert oder sich mit Altritualisten kollektiv selbst für seine Sünden geißelt, ist mir hingegen sogar tatsächlich vollkommen egal. Dennoch lässt es sich die Persona non grata Hollywoods trotz eines vollständig erloschenen Publikumsinteresses an ihr nicht nehmen, unter finanzieller Selbstbeteiligung weiterhin an einem Comeback zu arbeiten. Get the Gringo heißt Gibsons aktueller Film, der ein Dreivierteljahr nach seiner glorreichen Video-on-Demand-US-Premiere ab morgen auch in den deutschen Kinos zu sehen ist.

Darin kehrt Gibson zum vermeintlich sympathischen, kauzigen Typus des gaunerischen Schlawiners zurück, lange Zeit seine erfolgreichste Rollenwahl. Als eine indirekte Fortsetzung des Actionthrillers Payback – Zahltag angelegt, setzt der Film auf lakonischen Zynismus, übersteuerten Humor und selbstverständlich auch auf die Starqualitäten seines Hauptdarstellers. Bemerkenswert langweilig ist er außerdem, und viel hängen bleibt bis auf die schlechteste Clint Eastwood-Imitation der Filmgeschichte sowieso nichts. In ihrer rücksichtslosen Xenophobie ruft die Hauptfigur unweigerlich Erinnerungen an bestimmte Äußerungen Gibsons hervor, aber solche Feststellungen werden natürlich vom Trennungsgebot vereitelt. Weg demnach vom „Privatmensch“ Mel und hin zum Produzenten, Regisseur, Schauspieler und Drehbuchautoren Gibson.


Seine drei größten Kassenhits als Hauptdarsteller, Signs – Zeichen, Was Frauen wollen und Lethal Weapon 2 – Brennpunkt L.A., demonstrieren bereits vor der Kamera eine enorme stoffliche Vielseitigkeit, die sich auch an seinen thematisch unterschiedlichen Regiearbeiten von Der Mann ohne Gesicht bis hin zu Apocalypto widerspiegelt. Diese Filme sind dann auch, je nach Mitwirkung Gibsons, auf ihre ganz eigene unterschiedliche Art schlecht: von lediglich banal bis hin zu religiös-fundamentalistisch. Der damals eine enorme Aufruhr generierende und sagenhaft erfolgreiche Exploitation-Ulk Die Passion Christi, Gibsons ebenso vollständig eigenfinanzierte wie -willige Passionsgeschichte des Jesus von Nazaret, kam natürlich nicht aus, hm, heiterem Himmel. Schon in früheren Rollen, Zufall oder nicht, neigte der Filmemacher zur Darstellung leidender, selbstloser Figuren, die erst tief fallen, dann auf(er)stehen und schließlich ganz zu sich selbst finden mussten.

In Lethal Weapon – Zwei stahlharte Profis spielt Gibson einen anfänglich rücksichtslosen und suizidalen Trinker, der gleich zu Beginn tief in den Pistolenlauf blickt, ehe er als Reinkarnation des heldenhaften Polizisten alle Sympathien auf sich zu vereinen weiß. In Hamlet perfektionierte er das Schuld-und-Sühne-Spiel um Selbsterniedrigung in einer Adaption des berühmten Stoffes, der Rest ist nicht Schweigen, sondern selbsterklärend. Qualen muss auch die Titelfigur in Fletchers Visionen erleiden, sie ist hilflos in sich selbst gefangen, wird entführt, gefoltert und angeschossen, ehe sie sich zum anonym bleibenden Helden der Herzen mausert. Durch einige der bereits genannten sowie eine Reihe weiterer Gibson-Filme (Mad Max II – Der Vollstrecker, Forever Young, Der Patriot) zieht sich zudem ein merkwürdiger roter Faden: In ihnen segnen die Ehefrauen der von ihm verkörperten Figuren das Zeitliche, was seine Rollen in der Gesamtheit zu einem kuriosen Sammelsurium mannigfaltiger Darstellungen von Witwern mutieren lässt.


Im fürchterlichsten Film seines an fürchterlichen Filmen nun weiß (der schon wieder:) Gott nicht armen Schaffenswerkes finden diese seltsamen Konstanten zueinander. Braveheart, die Schmalspurversion eines Hollywood-Epos, bescherte Mel Gibson 1996 dann auch seine beiden grandios unverdienten Oscars. In ihm muss nicht nur die Ehefrau verenden, sondern auch Vater und Bruder des von ihm gespielten schottischen Freiheitskämpfers William Wallace. Der von John O’Farrell wegen seiner historischen Falschheiten treffend in „William Wallace and Gromit“ umbetitelte Film nimmt die Passion des späteren Gibson-Jesus-Spektakels bereits eindrucksvoll vorweg. Nie musste der amerikanisch-australische Schauspieler auf der Leinwand schlimmer leiden, nie wurde er mehr erniedrigt und gemartert. Es ist vollkommen unmöglich, um doch noch einmal auf das eingangs angesprochene Trennungsgebot zurück zu kommen, von derart konstanten Ähnlichkeiten dominierte Rollen und die mehrfach öffentlich Buße tuende Privatperson Gibson unabhängig voneinander zu betrachten.

Dieser systematischen Wahl an Figurentypen, die zu ignorieren es schon einer gewissen Blindheit bedürfe, schließt sich letztlich eine entsprechend wehleidige mimische Interpretation ebendieser Figuren an. Um Verständnis werbende Hundeblicke, verheulte Gesichtsausdrücke und eine augenscheinlich Schmerzen erduldende Körpersprache bestimmen in vielen dieser Filme sein Schauspiel. Meine letzte Begegnung mit Mel Gibson liegt einige Wochen zurück, und es war eine äußerst trübselige: Mit psychopathisch anmutenden, weit aufgerissenen Augen starrte er bei der Verleihung der Golden Globes gen Bühne, auf der seine, so heißt es, Freundin Jodie Foster gerade eine lachhafte, wenngleich breitflächig bejubelte Rede pro Schrankhomosexualität hielt. Es war der Anblick eines verwirrten alten Mannes, der gar nicht mehr zu wissen schien, wo er sich gerade befindet. Nie zuvor sah ich ihn glaubhafter spielen als in diesem Moment.

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