Ich, Wer den Wind sät & Gott vs. Wissenschaft

06.08.2011 - 08:50 Uhr
Mein Herz für Klassiker geht an Wer den Wind sät
United Artists/moviepilot
Mein Herz für Klassiker geht an Wer den Wind sät
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Wer Gerichtsfilme mag, der kommt auf kurz oder lang nicht an Wer den Wind sät aus dem Jahr 1960 vorbei. Doch anders als bei anderen Genrevertretern wird in diesem Film nicht über die Schuld oder Unschuld eines Menschen verhandelt, sondern es werden elementare Themen zur Sprache gebracht.

Beim Wort ‘Affen’ denken die meisten von euch wohl an Planet der Affen. Aber diesen Klassiker habe ich mir nicht ausgewählt, um ihm mein Herz zu schenken, sondern einen Film, der den so genannten ‘Affenprozess’ thematisiert. Vermutlich haben viele noch nie etwas von dem eigentlich ‘Scopes-Prozess’ genannten Verfahren gehört, weshalb ich euch kurz in Bilde setzen möchte: 1925 stand Lehrer John Thomas Scopes in Tennesse vor Gericht, da er die Evolutionstheorie unterrichtete, was der durch religiöse Hardliner beeinflussten Gesetzeslage der damaligen Zeit widersprach. Auf Grundlage des Prozesses schrieben Jerome Lawrence und Robert E. Lee ein Theaterstück, das Regisseur Stanley Kramer für seinen Film Wer den Wind sät nutzte. Und an diese Verfilmung geht mein Herz für Klassiker.

Warum ich Wer den Wind sät mein Herz schenkte
Steht in Wer den Wind sät vordergründig der Wettstreit zwischen ‘Bibel’ gegen ‘Entstehung der Arten’ um die Deutungshoheit im Mittelpunkt, also, vereinfachter ausgedrückt, Glauben gegen Wissen bzw. Gott gegen die Wissenschaft, werden in Wahrheit Themen besprochen, die in unserer Gesellschaft einen eminenten Wert besitzen: Meinungs- und Redefreiheit sowie die Anerkennung der freien Lehre. Wer den Wind sät ist nicht orignär ein Film für Atheisten, auch nicht für religiöse Menschen, es ist letztlich Werbung für ein im Humanismus verankertes Weltbild, das jeder Partei gerecht wird. Diese intelligente und tiefgründige Botschaft ließ mich Wer den Wind sät in mein Herz schließen. Dass vor allem Spencer Tracy als Drummond, Verteidiger von Lehrer Cates (Dick York), und Fredric March als Ankläger Brady schauspielerisch über sich hinauswachsen, erleichterte es mir natürlich ungemein, diesen Klassiker schätzen zu lernen.

Warum auch andere Wer den Wind sät lieben werden
Wir scheinen häufig zu vergessen, dass wir unsere Rechte immer wieder verteidigen müssen. Errungenschaften wie die freie Meinungsäußerung sind zur Gewohnheit geworden. Wer den Wind sät macht uns allen wieder klar, dass auch in einer gewachsenen Demokratie wie in der der USA Auswüchse entstehen können, die ebendiese Freiheiten bedrohen. Dass Wer den Wind sät sich keiner Seite deutlich zuwendet und nicht auf Ränkespiele einlässt, die nichts mit dem eigentlichen Thema der Rechte zu tun haben, macht es jedermann leicht, diesen Film zu lieben. Die grandiose Verflechtung von Spannung, durchdachtem Plot, großartigem Spiel und frechem, teilweise lakonischem Witz sagt schlicht jedem Freund toller Filme zu. Und nicht zu vergessen: Die fantastische 11-minütige Plansequenz, als Spencer Tracy sein Plädoyer hält. DAS ist schlicht ganz großes Kino.

Warum Wer den Wind sät einzigartig ist
Ich habe es schon einige Male angesprochen, komme aber auch hier wieder darauf zurück: Die Botschaft des Films, die uns Anerkennung und Verteidigung unserer Rechte lehrt, sowie der gleichermaßen sensible wie kritische Umgang mit Religion hebt Wer den Wind sät von vielen anderen Filmen ab. Das Statement für das Richtige, nicht gegen eine der konkurrierenden Sichtweisen, zeigt, wieviel Tiefe in diesem Film steckt. Eben dieser feine Umgang, der sich niemals in salbungsvollen Phrasen verliert, macht Wer den Wind sät einzigartig.

ACHTUNG! SPOILER! Dass Brady letztlich einer Todsünde, der Völlerei, zum Opfer fällt, demonstriert, dass Moral respektive Lasterhaftigkeit keine Frage der buchstabengetreuen Bibelkenntnis ist. Und auch die finale Szene, in der Spencer Tracy als Anwalt Drummond den Gerichtssaal mit der Bibel und Darwins Entstehung der Arten unter dem Arm verlässt, ist ein einzigartiges Bild, das auf wunderbare Weise ein Mit- und kein Gegeneinander propagiert. SPOILER-ENDE

Ein weiterer, wenn auch weit weniger bedeutsamer, Fakt, der die Einzigartigkeit von Wer den Wind sät unterstreicht, ist, dass Gene Kelly einmal fernab von Tanzfilmen in einer für ihn eher ungewöhnlichen Rolle zu sehen ist, die er ausgesprochen gut meistert.

Warum Wer den Wind sät die Jahrzehnte überdauert
Das Thema oder besser die Themen, die in Wer den Wind sät behandelt werden, werden wohl nie an aktuellem Bezug verlieren. Stets befinden sich verschiedene Gruppierungen im Zwist um die Vorherrschaft. Kreationisten und überhaupt religiöse Eiferer erleben immer wieder eine Renaissance, verdammen die Wissenschaft, wollen sie austilgen. Nicht weniger machen sich wissenschaftlich gebildete Menschen über den Gottesglauben lustig. Dabei ist dieser ewige Streit eigentlich gar keiner, denn Glaube ist Glaube und Wissen ist Wissen – und es gibt keinen Grund, das eine aufzugeben, wenn das andere akzeptiert wird.

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