Ich, Diablo 2 & das nervöse Klicken unter der Bettdecke

19.07.2016 - 17:20 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Womöglich der berühmteste Totenschädel überhaupt
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Womöglich der berühmteste Totenschädel überhaupt
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Diablo ist einer der ganz großen Namen in der Videospielwelt und wird als Füllhorn der Erinnerungen an ein mystisches "Früher" von Spielern weltweit untereinander herumgereicht. Auch ich habe mit Diablo 2 viel erlebt — allerdings auf eine etwas andere Art und Weise.

Diablo 2 erschien vor 16 Jahren und legte sich in der Form eines massiven, tonnenschweren Meilensteins in den Weg aller Spieler, die auch nur flüchtig mit klassischen Fantasy-Epen, Rollenspielen oder Loot-Exzessen liebäugelten. Wer sich als Teil von auch nur einer dieser Gruppen sah, konnte Diablo 2 unmöglich übergehen. Stattdessen musste der unhandliche Meilenstein in die Hände genommen und ab sofort mitgeschleppt werden. Jedes Hack'n'Slay-Spiel, das danach kommen sollte, musste der Wucht dieses Meilensteins standhalten und erst Diablo 3  konnte den großartigen Vorgänger 2013 in den verdienten Ruhestand verabschieden.

Wohl die meisten von euch verbinden Geschichten, Erlebnisse und ganz besondere Momente mit dem einstigen Hack'n'Slay-Phänomen und auch ich muss bereits unweigerlich an die eine oder andere Szene denken. Doch erst die Verbindung dieser konkreten Spielmomenten mit den Umständen meiner damaligen Lebenssituation machen Diablo 2 für mich zu einem echten Klassiker meiner Spielhistorie.

Heimliches Klicken in der Nacht

Es war das Jahr 2008, meine Abiturprüfung stand an und kurz vor Beginn der Lernphase drückte mir ein Freund eine Spieledisc in die Hand: "Hier, ist gut. Das müssen wir mal gemeinsam spielen." Die Beschriftung verriet, dass es sich um Diablo 2 handelte, ein Spiel, das zu diesem Zeitpunkt bereits acht Jahre alt war. Ich kannte natürlich den Namen aus unzähligen Zeitschriftartikeln und Kolumnen, selbst gespielt hatte ich ihn allerdings nur oberflächlich, bevor ich meine eigene Spiele-CD bei einem dummen Haushaltsunfall unbrauchbar machte. Nach über acht Jahren war ich mehr als bereit für einen neuen Versuch, und dieses Mal zusammen mit anderen. "Etwas unglücklich, dass das Abitur direkt vor der Tür steht, aber eine kurze Runde der alten Erinnerungen willen wird schon nicht schaden.", dachte ich mir.

Zwei Wochen später, mitten in der Nacht: Wie ich es mir in den vergangenen 14 Tagen angewöhnt hatte, saß ich auch heute wieder vor dem aufgeheizten Laptop im Bett und schickte einen schwer gerüsteten Barbaren von links nach rechts. In meinem Ohr teilte sich die Stimme meines Freundes den Platz mit meinem schlechten Gewissen, das mich an die bevorstehenden Prüfungen erinnerte.

Viel knüppeln, wenig Übersicht: Auch das ist Diablo 2.

Das süchtig machende Looten und Leveln ohne ablenkende Hintergrundgeschichte hatte mich in der Tat mit einer solchen Wucht erfasst, dass ich jegliche Deadlines und Prüfungsnotizen leichtherzig beiseite schob. Diablo 2 war wichtiger — und gleichzeitig ein nicht gesehener Gast in meinem Elternhaus. Was für mich zu einem neuen Symbol des Spielspaßes geworden war, entwickelte sich für meine Eltern zu einem mahnenden Altar, auf dem ihr Sohn offenbar jeglichen schulischen Ehrgeiz zugunsten von virtuellen Items geopfert hatte. Die Konsequenz aus diesem Interessenkonflikt mündete in der einzig richtigen Entscheidung, die hier getroffen werden konnte:

Ich spielte heimlich nachts, mit halblaut schreiender Teamspeak-Stimme und in Angstschweiß gebadet.

Von ständiger Furcht ergriffen, plötzlich von meinen Eltern ertappt zu werden und mich so einer erneuten, ermüdenden Diskussion aussetzen zu müssen, wurde jeder Sieg und jede Niederlage im Spiel um ein Vielfaches intensiver. Und so jubelte ich bereits, wenn ich ohne ertappt zu werden ein paar niedrigstufige Gegner erledigt hatte, während unter meiner Decke das gedämpfte, hektische Klicken meiner Maus zu hören war. Es muss eine komische Szenerie gewesen sein, die als Gemälde wohl die Beschreibung "Ängstlicher Nerd erträgt Stresssituation, um Diablo 2 spielen zu können" getragen hätte.

Irgendwie fand ich in diesem Wahnsinn der Schlaflosigkeit sogar noch Zeit, für meine Prüfungen zu lernen und so brachte ich mein Abitur trotz Diablo 2 und dank himmelhoher Adrenalinpegel erfolgreich hinter mir. Noch einmal will ich eine solche Zeit nicht erleben müssen und doch bin ich froh darum, einen allseits anerkannten Klassiker wie Diablo 2 durch diese erzwungene Heimlichtuerei auch zu einem ganz persönlichen Klassiker gemacht zu haben.

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