BFG - Big Friendly Giant: Die Problematik der Roald Dahl-Adaptionen

22.07.2016 - 09:10 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
James und der Riesenpfirsich/Charlie und die Schokoladenfabrik/BFG/Der fantastische Mr. FoxCapelight/AL!VE/Warner/Constantin/20th Century Fox
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Gestern startete mit Steven Spielbergs BFG - Big Friendly Giant eine weitere Adaption einer Geschichte des erfolgreichen Autors Roald Dahl in den Kinos. Warum Spielberg nicht der Richtige für Roald Dahl ist und was andere besser machten, lest ihr hier.

Auf dem Papier klingt BFG - Big Friendly Giant nach dem perfekten Ausgangsstoff für einen Steven Spielberg-Film. Ein kleines, einsames Außenseiter-Mädchen wird eines Nachts von einem freundlichen Riesen in eine magische Welt entführt. Die Freundschaft zwischen zwei einsamen Individuen ist der Kern eines E.T. - Der Außerirdische, Märchenerzählungen sowieso Inbegriff des Spielberg-Kinos. Doch da wurde die Rechnung ohne Roald Dahl gemacht. Zwar kann der aufmüpfige Brite nicht mehr in der Entstehung des Films hineinpfuschen und sich über Abweichungen und Titeländerungen echauffieren, doch wer seinen Stil verleugnet, läuft Gefahr, die Essenz seiner Geschichten nicht transportieren zu können.

Steven Spielberg ist ein Mann der Harmonie, einer für die Hollywood-Happy-Ends, in denen sich die Figuren in den letzten triumphalen Minuten des Films so oft wie möglich anlächeln und das optimistische Schlussbild in den Abspann überleitet. Selbst wenn im Jurassic Park die Hölle los ist und Menschen von blutrünstigen Dinosauriern gefressen wurden, inszeniert ein Steven Spielberg ein kitschiges Beisammensein im Baumkronenbett – während Roald Dahls Bücher sicherlich für verstörende Gute-Nacht-Geschichte-Vorlesestunden gesorgt haben. Wer dachte, Hexen hexen wäre näher an einem Horror- als einem Kinderfilm, kann sich im Wikipedia-Artikel  einmal das Ende des Romans durchlesen. Eine reine Entschärfung von Roald Dahls Stoffen führt jedoch zu einem Missverständnis der Geschichten. Die Garstigkeit, der schwarze Humor und die gruseligen Momente sind oft Katalysator einer Tragik, deren Fundament ihr durch eine Kantenglättung genommen wird. Es herrscht übrigens BFS (Big Fucking Spoilergefahr).

James und der Riesenpfirsich

Eine gewisse Weichspülung könnte man auch James und der Riesenpfirsich vorwerfen, der seine düsteren Ansätze doch einige Male einer einfachen Lösung unterordnet. Nur weiß Henry Selick (Nightmare Before Christmas) diese Löcher durch beeindruckende Stop-Motion-Technik und sonstige visuelle Spielereien zu verdecken, die zu der seltsamen Geschichte zudem atmosphärisch beitragen. Wo er nimmt, fügt er auch hinzu und prägt die Geschichte stilistisch auf seine Weise. Steven Spielberg und seine Drehbuchautorin Melissa Mathison (E.T.) jedoch reißen diese Löcher nur auf, ohne sie würdig zu stopfen. Spielberg übernimmt nicht einmal einen Bruchteil der Bösartigkeit des Buches, entzieht der Geschichte damit jedoch ihren Motor. Die Konzentration darauf, ein typisches Spielberg-Märchen erzählen zu wollen, widerspricht Roald Dahls Art, Geschichten zu erzählen.

Willy Wonkas Halb-Büro

Als Willy Wonka in Mel Stuarts Interpretation von Charlie und die Schokoladenfabrik zum ersten Mal auftritt, humpelt ein gebrochener Mann mit seinem Gehstock aus der Süßigkeitenfabrik, bevor er sich mit einem akrobatischen Satz in seine öffentliche Persönlichkeit rollt. Später im Film blicken wir noch einmal hinter die lächelnde Zuckerglasur-Maske des Willy Wonka. In seinem Büro ist buchstäblich alles nur zur Hälfte vorhanden. Ein räumliches Psychogramm einer unglücklichen und einsamen Seele tut sich hinter dem Frohsinn auf. Auch wenn Mel Stuart diesen Weg leider nicht zu Ende geht, machen diese wenigen Szenen begreiflich, wie der Humor nur Betäubung für die Schmerzen ist. Auch Danny DeVito versuchte sich mit Matilda an dem Balanceakt zwischen Drama und überzeichneter Komödie, stellte die beiden Parteien jedoch in kein gesundes Verhältnis. Tim Burtons Remake von Charlie und die Schokoladenfabrik machte da einiges besser. Ohne den Feinsinn für den Humor zu verlieren, verstand er die tragische Figur des Willy Wonka. Mit einfachen Handgriffen und einem reflektierenden Ende diskutierte er den inneren Konflikt seiner Figur.

20th Century Fox

Diese Art von melancholischer Erkenntnis brachte Wes Anderson wohl am originellsten auf die Leinwand. Ohne sich zu biegen, konnte Wes Anderson Der fantastische Mr. Fox dabei komplett zu seinem eigenen Film machen, ohne das Verständnis für seine Figuren und die Geschichte zu verlieren. Dazu findet er eine nuancierte Herangehensweise an das Drama, die es ihm erlaubt, keine der Gefühlslagen mit der Atmosphäre brechen zu lassen, ohne dass sie ihre Wirkung verlieren. Ein Vorteil ist auch, dass sich Der fantastische Mr. Fox nie als Kinderfilm präsentiert. Vielleicht liegt darin, dies doch zu tun, die Problematik der meisten Roald Dahl-Adaptionen.

Welcher ist euer Lieblingsfilm, der auf einer Geschichte von Roald Dahl basiert, und warum?

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