Bernard Hill hat mir einen meiner liebsten Fantasy-Momente geschenkt und er lässt mich 22 Jahre später noch nicht los

08.05.2024 - 15:00 UhrVor 11 Tagen aktualisiert
Bernard Hill als König Théoden
Warner Bros.
Bernard Hill als König Théoden
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Der britische Schauspieler Bernard Hill ist kürzlich verstorben. Es braucht nur eine Der Herr der Ringe-Szene, um zu zeigen, welches gigantische Talent Fantasy-Fans damit verloren haben.

Am 5. Mai 2024 ist Bernard Hill gestorben. Er genoss eine lange Karriere in Kino, TV und am Theater. Er war in Epen wie Gandhi oder Der Geist und die Dunkelheit zu sehen. In Titanic spielte er die tragische Figur des Kapitäns. Aber die allermeisten, mit Sicherheit alle Fantasy- und Der Herr der Ringe-Fans, werden ihn als Théoden, König von Rohan, kennen.

Die Herr der Ringe-Trilogie nach Vorbild von J.R.R. Tolkiens Büchern ist aus tausend Gründen ein Meisterwerk: Gigantische Schlachtenszenen. Berauschende Landschaftsaufnahmen. Ein Produktionsdesign, das seinesgleichen sucht. Für mich gehört Hill dazu: Seine Rolle ist mir als Fan der Fantasy-Filme seit Kinostart ins Gedächtnis eingebrannt, obwohl sie längst nicht die Bedeutung von Figuren wie Aragorn (Viggo Mortensen) oder Frodo (Elijah Wood) besitzt.

Bernard Hill ist als Herr der Ringe-König purer Genuss

Bernard Hill hat als König Théoden nicht eine einzige mittelmäßige Szene. Daran ist das Drehbuch nicht unbeteiligt, aber vor allem ist es Verdienst des Schauspielers. Vom schwachen Röcheln des verblendeten Marionettenkönigs zur Verzweiflung eines Vaters, der in den Hügelräbern seiner Ahnen um seinen Sohn trauert, und dem "Grimmetaten erwachet!" eines todgeweihten Kriegers: Hill brilliert von der ersten bis zur letzten Sekunde. Für mich sticht besonders eine Szene hervor.

Bernard Hill als König Théoden in Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs

Théoden ist in Der Herr der Ringe: Die zwei Türme und Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs zu sehen. In Die zwei Türme zieht er sich in die Fluchtburg Helms Klamm zurück und erwartet den Ansturm Tausender grausamer Uruk-hai.

Die Lage ist verzweifelt: Das ganze zivile Volk Rohans sitzt in der Burg fest und wartet auf den Untergang. Regisseur Peter Jackson dokumentiert die Vorbereitungen. Er zeigt die Angst in den Gesichtern der Kinder, deren Streitäxte sie um die Hälfte überragen. Er zeigt den schwarzen Strom der Feindeshorden wie Schuppen eines hungrigen Drachen. Er lässt die Freunde Aragorn und Legolas (Orlando Bloom) streiten, die sich in ihrer Verzweiflung fast an die Gurgel gehen. Dann folgt Bernard Hills beste unter all seinen großartigen Szenen.

Deswegen ist Bernard Hills beste Herr der Ringe-Szene so großartig

Théoden steht inmitten eines Festsaals, der von einem gleißenden Lichtstrahl erleuchtet wird. Sein Offizier Gamling (Bruce Hopkins) bringt den königlichen Harnisch und berichtet, aber sein König starrt nur gebannt in die Leere. "Wer bin ich, Gamling?" fragt er. "Ihr seid unser König", antwortet sein Adjutant.

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Hill bewegt sich kaum, er blickt in der Szene nur geradeaus. Und dennoch lässt sich eine unendliche Tiefe von Emotionen aus den kleinsten Gesten herauslesen. Als Gamling soldatisch erklärt, "Wir folgen euch zu jedwedem Ende", wiederholt Hill den Satz mit einem leichten, einem kaum wahrnehmbaren Lachen. Als müsse er darüber grinsen, dass von seinem Lebenswerk nur noch ein morbider Treueeid übrig bleibt.

Sein Offizier legt ihm die Rüstung an und er bleibt steif, als füge er sich seinem Schicksal. Aber sein Blick, sein ganzer mimischer Ausdruck, strahlt eine solche Lebhaftigkeit, eine Würde, eine Verblüffung aus, dass es mich 22 Jahre nach Kinostart noch immer fasziniert. Hill erschafft das Gesicht eines Menschen, der sich voller Reue dem Unvermeidlichen zuwendet. Théoden zitiert ein Gedicht:

Wo sind Reiter und Ross?
Und das Horn, das weithin hallende?
Lang vergangen wie Regen im Wald
und Wind in den Ästen.
Im Schatten hinter den Bergen versanken
die Tage im Westen.

"Wie konnte es nur so weit kommen?", schließt Hills Figur die Szene ab. Sein Monolog, auch im Original, haut mich immer wieder um. In seinen Worten, seinen weit aufgerissenen Augen, seiner versteinerten Haltung liegt eine unendliche Trauer über die verpassten Gelegenheiten der Jahrhunderte, über den Lauf der Zeit, die die Spuren aller Menschengeschlechter restlos auslöscht. Und eine Machtlosigkeit gegenüber diesem Ablauf, die nur noch Pflichterfüllung zulässt.

Schaut hier den Trailer zu Der Herr der Ringe: Die zwei Türme

Der Herr der Ringe Die zwei Türme - Trailer (Deutsch)
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Jackson ist die Macht von Hills Szene bewusst. Bleibt er vorher noch eng bei den sprechenden Akteuren, so zeigt er jetzt unschuldige Kinder in Kriegsrüstungen und den Schatten der Uruk-hais, der in die erdigen Täler Rohans spült. Und kehrt schließlich zu Hill zurück, der mit seinen letzten Worten wie aus einem Phlegma zu erwachen scheint. Kurz lässt er die Augen durch den Raum gleiten, als müsste er sich nach langem Schlaf orientieren. Um einen Sekundenbruchteil später zu realisieren: Es ist ein böses Erwachen. Alle Hoffnung ist verloren.

Hill meistert die Szene mit dem minutiösen Geschick eines Balletttänzers. Jede Falte ist seinem Willen unterworfen, den emotionalen Ansturm in Théodens Innerem in all seinem Reichtum zu verkörpern. Er erhebt, mit seiner Mimik, seiner Gestik, seinen Worten, das Fantasy-Meisterwerk über sich selbst hinaus, wie es in den besten Der Herr der Ringe-Momente geschieht: Die Szene dreht sich nicht länger um Fluchtburgen und Uruk-hais und brüchige Bündnisse, sondern um die Vergänglichkeit des Menschen.

Die Filmwelt verdankt Bernard Hill extrem viel

Was Bernard Hill hier leistet, mag für seine älteren Fans nicht verwundern, immerhin spielte er jahrelang die Figuren Shakespeares für die Theaterbühne und die Fernsehprogramme der BBC. Aber als vierzehnjähriger Herr der Ringe-Fan ließ mich diese Szene nicht mehr los. Sie hat es bis heute nicht.

Bernard Hill zeigt mir jedes Mal aufs Neue, wie reich eine einzige, zweiminütige Sequenz sein kann, sofern sie ein talentierter Schauspieler mit Feingefühl für seine Rolle meistert. Er war in der Lage, mit reinem Mienenspiel einen Film zum Leuchten zu bringen. Und tiefe Gefühlseindrücke für ein ganzes Menschenleben zu schaffen. Sein Werk, ebenso wie sein Verlust, kann nicht überschätzt werden.

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